Die wichtigsten Literaturepochen: Merkmale und Hintergründe

Alte Bücher erzählen nicht nur Geschichten, sondern sagen etwas über die Lebenswelt des Autors aus. | Foto: Annie Spratt/Unsplash
Die Epoche kann dir helfen, die Bedeutung zu erkennen
Häufig sitzt du im Deutschunterricht vor einem Drama, einer Kurzgeschichte oder einem Gedicht und sollst aus dem Text erschließen, welche versteckte Bedeutung der Autor oder die Autorin in sein oder ihr Werk eingebaut hat. Bevor du dazu stilistische Mittel und Sprachmuster analysierst, musst du erst einmal herausfinden, aus welcher Literaturepoche der Text eigentlich stammt. Denn oftmals haben Dichter /-innen und Autoren /-innen sich von Geschehnissen ihrer Zeit inspirieren lassen oder die damals vorherrschenden Empfindungen und Gedanken in ihren Werken aufgegriffen.
Literaturwissenschaftler /-innen haben später Gemeinsamkeiten in Werken verschiedener Autoren einer bestimmten Zeit erkannt. Diese Gemeinsamkeiten wurden dann zu den Epochen zusammen gefasst. Die wichtigsten Epochen haben wir dir hier kurz und übersichtlich zusammengefasst.
Das ist eine Epoche
Eine Epoche bezeichnet einen bestimmten Zeitabschnitt, der durch bestimmte Ereignisse und Denkweisen geprägt ist. Epochen können unterschiedlich lang sein und sind nicht immer eindeutig voneinander zu trennen. Stattdessen gehen sie meist fließend ineinander über oder verlaufen auch mal parallel zueinander.
Außerdem solltest du beachten, dass manche Autoren nicht nur einer Epoche zuzuordnen sind. Auch bei den genauen Jahreszahlen der einzelnen Epochen vertreten manche Experten /-innen unterschiedliche Meinungen, da der Anfang oder das Ende eines solchen Abschnitts nicht immer genau festgelegt werden kann. Es gibt nämlich auch einige Überschneidungen und so ist es nicht immer allein anhand des Autors oder des Erscheinungsjahres zu erkennen, zu welcher Epoche ein Werk gehört. Die Zuordnung erfolgt vor allem auch anhand der Merkmale, die eine Epoche charakterisieren.
Diese Literaturepochen solltest du kennen
Die folgenden Epochen kommen häufig im Abitur dran. Deswegen solltest du wissen, was sie kennzeichnet. Welche Motive haben die Dichter damals benutzt? Welche Themen wurden behandelt? Wie wurden die Leitgedanken umgesetzt? Wenn du diese Fragen beantworten kannst, bist du der Bedeutung eines literarischen Textes oft schon einen Schritt näher. Neben den Epochen, die wir hier aufgelistet haben, gibt es in der deutschen Literatur noch einige andere. Wir haben uns allerdings auf die wichtigsten beschränkt. Unten findest du aber noch weitere in einem Zeitstrahl für eine besserer Übersicht.
Aufklärung: Vernunft und Veränderungen
Die Zeit der Aufklärung ist geprägt durch die Schriften von Rousseau, Voltaire und Hobbes. Immanuel Kant gab der Epoche mit seinem 1748 erschienen Aufsatz "Was ist Aufklärung?" ihren Namen. Der Fortschrittsglaube wurde von diesen Philosophen groß geschrieben. Sie äußerten Kritik an Staat und Religion, woraufhin die Kirche ihren dominanten Einfluss verlor. Der Mensch wurde in den Mittelpunkt gestellt und jeder sollte in einer freiheitlichen Gesellschaft die gleichen Rechte und Pflichten haben. Historisch ist diese Epoche von 1720 bis 1790 einzuordnen, sie schließt also mit dem Beginn der Französischen Revolution 1789 ab, bei dem sich das Volk gegen die Unterdrückung des Königs und die Eingrenzung der Menschen in unterschiedliche Stände aufgelehnt hat.
Literarisch äußerte sich dieses Umdenken, das in ganz Europa für gesellschaftliche Veränderungen sorgte, in einer trockenen Nüchternheit, die viele Werke dieser Epoche aufweisen. Sie spiegeln außerdem die Rationalität wider, die zu dieser Zeit sehr wichtig war. Die Dichter und Autoren von damals – bekannt sind davon besonders Gotthold Ephraim Lessing ("Nathan der Weise"), Johann Christoph Gottsched, Christoph Martin Wieland und Christian Fürchtegott Gellert – bevorzugten besonders die Gattung der Fabel, des Romans und des Dramas in Form des bürgerlichen Trauerspiels. Das aufklärerische Gedankengut schlägt sich formal und thematisch in ihren Werken nieder. Sie schreiben anspruchsloser, um allen Menschen den Zugang zur Kunst zu erleichtern. Die Texte sind außerdem von Sozialkritik und einem erzieherischen Anspruch geprägt.
Alle Literaturepochen auf einen Blick
- Barock (1600–1750)
- Aufklärung (1720–1800)
- Empfindsamkeit (1740–1790)
- Sturm und Drang (1765–1790)
- Weimarer Klassik (1786–1831)
- Romantik (1795–1835)
- Biedermeier (1815–1848)
- Vormärz (1815–1848)
- Junges Deutschland (1830–1835)
- Realismus (1848–1890)
- Naturalismus (1880–1900)
- Moderne (1890–1920)
- Impressionismus (1890–1920)
- Symbolismus (1890–1920)
- Expressionismus (1905–1925)
- Neue Sachlichkeit (1918–1933)
- Exilliteratur (1933–1945)
- Trümmerliteratur (1945–1950)
- Nachkriegsliteratur (1945–1990)
- Neue Subjektivität (1970er Jahre)
- Postmoderne Literatur (ca. 1989–2011)
- Gegenwartsliteratur (ab 1990)
Sturm und Drang: Genie und Selbsterfahrung
Die Aufklärung sorgte für ein neues Lebensgefühl, das für die Epoche des Sturm und Drangs (1765–1790) entscheidend ist. Die Epoche wird auch als "Geniezeit" bezeichnet: Der Künstler als Genie schafft die Kunstwerke aus sich selbst heraus und kann sich dabei selbst erfahren. Der Individualismus, der durch die Aufklärung angestoßen wird, setzt sich in den Köpfen der Menschen fest und die Freiheit wird als hohes Gut gesehen.
Zu den bekanntesten Werken dieser Epoche zählen "Die Leiden des jungen Werthers" von Johann Wolfgang von Goethe und "Die Räuber" von Friedrich Schiller. Die Gattungen dieser Werke, Briefroman und Drama, sind charakteristisch für die Epoche. Goethe, Schiller und andere Stürmer und Dränger – beispielsweise Jakob Michael Reinhold Lenz und Johann Gottfried Herder – schrieben pathetisch, kraftvoll und schwärmerisch, aber auch ohne eine einheitliche Form, worin sich ihre Ablehnung von Traditionen, Autoritäten und normativer Poetik widerspiegelt. Die Literatur des Sturm und Drangs beschäftigt sich häufig mit Natur, Spontanität, Empfindungen, Phantasie und dem menschlichen Dasein. Die Lyrik dieser Zeit ist liedhaft einfach und folgt einer freien Rhythmik.
Weimarer Klassik: Humanismus und Schönheit
Auch die Epoche der Weimarer Klassik schließt an die Gedanken der Aufklärung an. Humanismus und Toleranz gelten als wichtige Tugenden und die französische Menschenrechtserklärung – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – wird beherzigt. Die Kunst in dieser Zeit gilt als autonom und soll der ästhetischen Erziehung dienen. Historisch wird die Epoche mit der Herrschaft von Napoleon I., den preußischen Reformen und dem Wiener Kongress in Verbindung gebracht. Tatsächlich herrscht jedoch Uneinigkeit über die Länge dieser Epoche. Der Beginn wird auf das Jahr 1786 datiert, in dem Goethe zu seiner Italienreise aufbrach. Als Ende der Weimarer Klassik werden entweder Schillers Tod 1805 oder Goethes Tod 1832 gesehen.
Goethe und Schiller haben nämlich nicht nur den Sturm und Drang geprägt, sondern stellen zusammen mit Herder und Wieland als sogenanntes "Weimarer Viergestirn" die bedeutendsten der Vertreter der Weimarer Klassik dar. Ihre lyrische und epische Literatur ist edel und ausgewogen und besinnt sich zurück auf antike Vorbilder und Formen. So ist die Dichtkunst dieser Zeit bspw. von formstrengen Oden, Hymnen, Sonetten oder Balladen gerpägt. Motive der Epoche sind Harmonie, Vollkommenheit, Schönheit und Humanität.
Romantik: Sehnsucht und Natur
Von 1795 bis 1835, parallel zur Weimarer Klassik also, gab es noch eine andere bedeutsame Epoche: die Romantik. Diese Epoche beruft sich jedoch weniger auf die Vorstellungen der Aufklärer und lehnt z.B. den einseitigen Rationalismus ab. Der empfindende Mensch hingegen ist wichtig. Auch in dieser Epoche zeigt sich eine Ablehnung der zeitgenössischen Politik und gesellschaftlicher Normen, bspw. neuer Tugenden wie Fleiß und Pünktlichkeit oder des Spießertums.
In der romantischen Literatur kommen viele Märchen und Volkslieder vor. Die Werke sind gefühlsbetont und oft religiös angehaucht. Häufig wird in romantischer Literatur eine Flucht aus der Realität beschrieben, bspw. in fremde mystische Welten oder in die Vergangenheit. Damit zusammen hängt eine Verherrlichung des Mittelalters. Außerdem wird auch die Natur verehrt und die Psyche der Figuren wird wichtig. Das vielleicht bedeutsamste Motiv der Romantik ist die Sehnsucht, daneben werden aber auch Gefühle im Generellen, Romantik, Mystik, Dämmerung und die Natur behandelt. Stilistisch werden nun Synästhesien, Personifikationen und Metaphern vermehrt eingesetzt. Wichtige und bekannte Autoren und Dichter dieser Epoche sind z.B. Joseph von Eichendorff, Heinrich Heine, Clemens Brentano, die Gebrüder Grimm, Novalis, Goethe und Karoline von Günderrode.
Realismus: Wirklichkeit und Individuum
Der Realismus beginnt mit der deutschen Revolution 1848/1849 und dauert bis etwa 1890. Das heißt, dass auch der deutsch-französische Krieg (1870/71) und die Gründung des deutschen Reichs 1871 historisch in diese Epoche fallen. Es war außerdem das Zeitalter des Imperialismus und der Industrialisierung.
Literarisch dominierte in dieser Epoche die literarische Gattung der Epik gegenüber der Lyrik und der Dramatik, im Speziellen vor allem Gesellschaftsromane und Novellen. Die Dichter und Autoren des Realismus – darunter z.B. Theodor Fontane, Gottfried Keller, Theodor Storm, Gustave Flaubert, Friedrich Hebbel und Gustav Freytag – waren bemüht, die nackte Realität dichterisch zu gestalten und dabei auf Idealisierung oder beschönigende Metaphern zu verzichten. Thematisch wurden dabei die großen gesellschaftlichen Probleme nicht angesprochen. Das Individuum blieb das Zentrum der literarischen Werke. Die Autoren arbeiteten mit einer detailreichen und distanzierten Sprache. Bei der Abbildung der Wirklichkeit wurden auch die extremen Seiten der Realität, wie zum Beispiel Hässliches oder Sexualität, dargestellt, wobei meist ein teils derber Humor mitschwang.
Naturalismus: Detailtreue und Sozialkritik
In der Zeit des Naturalismus (1880–1900) hatten die Menschen mit sozialen Problemen aufgrund der Industrialisierung zu kämpfen. Die Verstädterung sorgte vielerorts für Hunger, Armut, Prostitution und Alkoholsucht. Zudem war das Zusammenleben vom Determinismus geprägt, der einen Mensch in Abhängigkeit von seinem Milieu und seiner Rasse beurteilte. Der Naturalismus stellt den Beginn der Moderne dar, die als Oberkategorie die Epochen bis zur Postmoderne (1980 bis heute) umfasst.
Die Naturalisten verschrieben sich ebenso wie die Realisten der Aufgabe, die Realität genau abzubilden, übten dabei jedoch deutliche Kritik an den sozialen Bedingungen der damaligen Zeit und thematisierten so Probleme, die viele Menschen betrafen. Die Kunst sollte in dieser Epoche so kunstlos wie möglich sein und stattdessen ein genaues Abbild der Natur darstellen. Die Literatur dieser Zeit beschäftigte sich vor allem mit dem Milieu der Fabriken und Kneipen und ist durch die Verwendung von Umgangssprache und Dialekte gekennzeichnet. Die Werke wurden außerdem meistens im Sekundenstil geschrieben, das heißt, dass ihre Erzählzeit der erzählten Zeit genau entsprach. Wichtige Autoren dieser Literaturepoche waren unter anderem Gerhart Hauptmann, Henrik Ibsen, Emile Zola, Arno Holz und Johannes Schlaf.
Expressionismus: Krieg und Ausdruckskraft
Die Epoche des Expressionismus fällt in die Zeit der Moderne (1890–1920) und dauerte von 1905 bis etwa 1925 an. Somit fällt der Erste Weltkrieg (1914–1918) in diese Zeit, der die Epoche stark beeinflusst hat. Daneben entwickelte sich in diesem Zeitraum ein Hass auf den Imperialismus, den Kapitalismus und den Nationalismus. Durch die Verstädterung nahmen sich die Menschen als anonym in einer großen Masse wahr.
Literarisch wurde dieser Ich-Zerfall oft aufgegriffen. Weitere Motive waren Krieg, Verfall, Tod, Entfremdung, Apokalypse und Zerstörung. Diese negativen Extreme aus dem Großstadtleben wurden dem Grotesken kontrastierend gegenübergestellt, was sich in den bevorzugten Stilmitteln äußerte: Die Expressionisten benutzten besonders gerne Neologismen, Syntaxveränderungen, Metaphern, Symbole, Hyperbeln und Euphemismen. Außerdem wies der Schreibstil oft einen Schlagzeilencharakter auf. Im Gegensatz zum Naturalismus wollten die Autoren und Dichter dieser Epoche – wie z.B. Jakob van Hoddis, Alfred Döblin, Gottfried Benn, Georg Trakl, Else Lasker-Schüler, Robert Musil und Georg Heym – keine realitätsnahe Darstellung erreichen. Sie schrieben mit viel Expressivität und gestalteten die Sprache als Ausdruckskunst.
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