Die Schwarze Romantik (1816-1835): Die Faszination des Unheimlichen
Die Schwarze Romantik ist eine Unterströmung der Romantik-Epoche. | Foto: gemeinfrei
Die Schwarze Romantik: eine Unterströmung der Romantik
Die Romantik-Epoche ist eine Literaturepoche, die von Weltflucht und der Hinwendung zur Natur gekennzeichnet ist. Doch die Vertreterinnen und Vertreter huldigten nicht nur der Schönheit der Natur und zogen sich in Fantasie- und Traumwelten zurück. Sie fühlten sich auch zum Unheimlichen und Mystischen hingezogen – so sehr, dass sich daraus sogar eine eigene Unterströmung der Romantik entwickelte: die Schwarze Romantik. Was es damit auf sich hat, mit welchen Themen sie sich konkret beschäftigt und an welchen Merkmalen du sie erkennst, liest du in diesem Artikel über die literarische Strömung der Schwarzen Romantik.
"Abwärts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht. Fernab liegt die Welt - in eine tiefe Gruft versenkt – wüst und einsam ist ihre Stelle.“ (aus “Hymnen der Nacht”, Novalis)"
Auf einen Blick: Schwarze Romantik
- Zeitraum: 1816–1835
- Einordnung: Unterströmung der Romantik (1795–1835)
- bedeutende Ereignisse: Industrialisierung, Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Sieg über Napoleon und Wiener Kongress
- Merkmale: Auseinandersetzung mit dem Unheimlichen, Unerklärbaren und Düsteren
- Motive: Spuk, Verfall, Tod, Angst, das Doppelgängermotiv, das Schaurigschöne
- Vertreter /-innen: E.T.A. Hoffmann
Tipp
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Definition: Das ist die Schwarze Romantik
Die Schwarze Romantik wird auch als Schauerromantik, Negative Romantik oder Dunkle Romantik bezeichnet und ist eine Unterströmung der Romantik. Sie entwickelte sich in der Phase der Spätromantik (1816-1835) und legte ihren Fokus auf das Düstere, Gruselige und die dunkle Seite der menschlichen Psyche.
Die Bezeichnung “Schwarze Romantik” stammt aus der Literaturwissenschaft und wurde durch den italienischen Literaturwissenschaftler Mario Praz bekannt gemacht. Im “Sachwörterbuch der Literatur” wird die Schwarze Romantik als “irrationale Tendenz der Romantik zum Unheimlich-Gespenstischen, Phantastisch-Abseitigen und Dämonisch-Grotesken” definiert, allerdings ist eine klare Definition nicht möglich, da sich die Schwarze Romantik nicht eindeutig von der Hauptströmung der Romantik abgrenzen lässt. Denn auch darin ist die Hinwendung zum Unheimlichen bereits angelegt.
Zeitgeschichtliche Einordnung
Als Unterströmung der Romantik fällt die Schwarze Romantik in eine Zeit, die von vielen gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt ist. Dazu gehören zuallererst die Folgen der Französischen Revolution im Jahr 1789. Sie hatte das gesamte europäische Gesellschaftssystem umgewälzt. Das Ständesystem mit einem unterdrückten Bürgertum und einem absolutistisch regierenden Monarchen samt Privilegien für die oberen beiden Stände, Klerus und Adel, war gestürzt, ein neues Menschenbild hatte sich entwickelt. Doch als Napoleon in Folge der Befreiungskriege (1813 bis 1815) in Waterloo geschlagen wurde, beschloss der Wiener Kongress 1815 in Europa die alte Ordnung, also die Ordnung vor der Revolution, wiederherzustellen. Die Hoffnungen und Ideale der Aufklärung waren enttäuscht und gescheitert.
Hinzu kam die Industrialisierung, die zu Landflucht und Urbanisierung führte: Durch den technischen Fortschritt und die Arbeitsmöglichkeiten in den Fabriken zogen die Menschen vom Land in die Stadt. Während Landstriche vereinsamten, wurden die Städte immer voller. Technische Errungenschaften veränderten das Leben der Menschen zudem grundlegend. Die Vertreter und Vertreterinnen der Romantik versuchten sich diesen Veränderungen zu entziehen, lehnten die Wirklichkeit ab und verstanden sich selbst als Gegenbewegung zu Aufklärung und Weimarer Klassik. Gefühl und Fantasie waren ihnen wichtiger als Verstand und Vernunft.
Weitere Literaturepochen
- Barock (1600–1750)
- Aufklärung (1720–1800)
- Empfindsamkeit (1740–1790)
- Sturm und Drang (1765–1790)
- Weimarer Klassik (1786–1831)
- Romantik (1795–1835)
- Biedermeier (1815–1848)
- Vormärz (1815–1848)
- Junges Deutschland (1830–1835)
- Realismus (1848–1890)
- Naturalismus (1880–1900)
- Moderne (1880–1920)
- Impressionismus (1890–1920)
- Symbolismus (1890–1920)
- Expressionismus (1905–1925)
- Neue Sachlichkeit (1918–1933)
- Exilliteratur (1933–1945)
- Trümmerliteratur (1945–1950)
- Nachkriegsliteratur (1945–1990)
- Neue Subjektivität (1970er Jahre)
- Postmoderne Literatur (ca. 1989–2011)
- Gegenwartsliteratur (ab 1990)
Weitere Infos
Alles Wichtige rund um die Literaturepochen Aufklärung und Weimarer Klassik kannst du hier nachlesen:
Aufklärung: Epoche der Vernunft (1720–1800)
Jetzt lesenWeimarer Klassik (1786–1832): Die Literaturepoche im Überblick
Jetzt lesenEntwicklung der Schwarzen Romantik
Einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung der Schwarzen Romantik hatte die englische Schauerliteratur, die Ende des 18. Jahrhunderts als eigene Stilrichtung entstand. Die sogenannte Gothic Novel nahm das von der rationalen Aufklärung verdrängte Übernatürliche und Unkonventionelle wieder auf und schuf eine Ästhetik des Schreckens. Als erste Gothic Novel gilt “Das Schloss von Otranto” von Horace Walpole aus dem Jahr 1764. Einer der bekanntesten Schauerromane ist Mary Shelleys “Frankenstein”.
Die Schwarze Romantik griff zahlreiche Motive des Schauerromans auf, dessen Einfluss auf die Literatur nachhaltig war. Die von ihm geschaffene Ästhetik mit dunklen Gängen, wehenden Vorhängen und knarrenden Türen findest du noch heute in vielen Gruselfilmen. Aus der Schauerliteratur hat sich zudem die moderne Horrorliteratur entwickelt.
Merkmale der Schwarzen Romantik
Die Schwarze Romantik zeichnet sich durch ihre Auseinandersetzung mit dem Unheimlichen, Unerklärbaren und Düsteren aus. Sie hat melancholische Züge und ist vom Wahnsinn und den Abgründen der menschlichen Psyche fasziniert. Als Abkehr von der von Vernunft geleiteten Aufklärung wandte sie sich dem Bösen ebenso zu wie abseitig-exzessiven Verhaltensweisen und fantastisch-grotesken Phänomen. Auch Erotik und die dunkle Seite von Sexualität sowie der Hang zum Morbiden sind typische Merkmale der Schwarzen Romantik.
Gut zu wissen
Die Schwarze Romantik gab es nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Kunst. Typische Motive sind verlassene Landschaften, Ruinen und gruselige Fabelwesen. Ein Beispiel ist das Gemälde “Nachtmahr” von Johann Heinrich Füssli. Es zeigt einen Albtraum mit dämonenhaften Gestalten.
Motive der Schwarzen Romantik
Die Schwarze Romantik verwendet eine Vielzahl an Motiven, in denen du die Grundausrichtung der Hauptströmung, der Romantik, wiedererkennen kannst: die Flucht in Fantasie- und Traumwelten und die damit einhergehende Weltflucht sind in der Hinwendung zum Übernatürlichen und Geisterhaften deutlich herauszulesen. An Schauplätzen wie Ruinen und alten Burgen zeigt sich die Neigung der Romantik zum Mittelalter. Und die Faszination für das Unbewusste und Irrationale ist ganz klar als Gegenentwurf zur Epoche der Aufklärung zu werten, deren oberstes Gebot die Rationalität war. In ihrer Ausprägung gehören die Motive der Schwarzen Romantik aber zur Nachtseite der Romantik, also zu ihrer dunklen und düsteren Seite.
Die Motive der Schwarzen Romantik sind:
- Spuk, Schauer und Unheimliches
- Leid, Gewalt und Tod
- die dunkle Seite der menschlichen Psyche
- das Doppelgängermotiv
- Phantastik und Okkultes
- Erotik und Sexualität
- das Schaurigschöne
Insgesamt wird in diesen Motiven auch das pessimistische Menschenbild der Schwarzen Romantik deutlich. Es grenzt sich klar von der positiven Lebensauffassung der Aufklärung ab. Diese ging davon aus, dass der Mensch als Individuum durch den Gebrauch seines Verstandes stets rational und selbstbestimmt handeln und dadurch die Gesellschaft verbessern könne. Die Schwarze Romantik hingegen vertritt die Auffassung, dass bestimmte innere Vorgänge eben nicht kontrollierbar sind.
Spuk, Schauer und Unheimliches
Wenn du dich mit den verschiedenen Romantik-Merkmalen auseinandersetzt, dann fällt dir auf, dass zu den typischen Schauplätzen romantischer Literatur Schauplätze wie dunkle Wälder, Ruinen, Friedhöfe, Spukschlösser, Keller, Gruften oder Verliese gehören. Sie begegnen dir in vielen Romantik-Gedichten. Auf romantischen Gemälden siehst du unheimliche Naturerscheinungen wie Gewitter oder vom Nebel umhüllte Landschaften. All das sind Motive, die für Spuk, Schauer und das Unheimliche stehen.
Auch hieran zeigt sich, wie sehr sich die Romantik und mit ihr auch die Schwarze Romantik von der Aufklärung abwenden wollte: Dem Licht der Aufklärung stellt die Schwarze Romantik die Nacht und das Dunkel gegenüber und wertete sie als Ort der besseren Erkenntnis und der höheren Wahrheit positiv um. Ein Beispiel dafür ist der Gedichtzyklus “Hymnen der Nacht” von Novalis. Darin heißt es: “Abwärts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht. Fernab liegt die Welt - in eine tiefe Gruft versenkt – wüst und einsam ist ihre Stelle.“
Leid, Gewalt und Tod
Leid, Gewalt und Tod sind weitere wiederkehrende Motive der Schwarzen Romantik. Grund dafür sind die Kriegserfahrungen durch die Napoleonischen Kriege, die der Französischen Revolution folgten und die Hoffnungen der Menschen auf eine bessere Zeit enttäuschten. Schauplätze wie Ruinen und Friedhöfe symbolisieren zudem Verfall und Tod.
Die dunkle Seite der menschlichen Psyche
Hatte die Aufklärung den menschlichen Verstand zum höchsten Gut erklärt und auf Rationalität und Vernunft gesetzt, war das neue, optimistische Menschenbild, das den Aufbruch in die moderne Zeit begünstigt hatte, Anfang des 19. Jahrhunderts bereits gescheitert. Die Kriege kehrten das Triebhafte und Gewalttätige im Menschen hervor und hinterließen auch psychische Spuren.
Die Romantik, und auch hier wieder insbesondere die Schwarze Romantik, wandte sich der Erkundung des Unbewussten zu und dem, was fernab der Vernunft liegt: die Abgründe der menschlichen Psyche. Das liegt auch daran, dass sich die Anfänge der Psychologie als Wissenschaft auf die Romantik zurückführen lassen, die sich für Träume und Albträume, Vorahnungen, Telepathie und das Schlafwandeln ebenso interessierte wie für psychische Extremzustände wie den Wahnsinn oder das Böse im Menschen.
Das Doppelgängermotiv
Zu den typischen Romantik-Motiven gehört auch das Spiegelmotiv als Symbol für die Schwelle zwischen Realität und Irrealem sowie die Fokussierung auf das eigene Ich. Das Doppelgängermotiv greift diese Idee auf und thematisiert damit die Möglichkeit, sich mit einem Alter Ego, also einem Spiegelbild seiner selbst und seinem Unterbewusstsein, auseinanderzusetzen.
Literarische Umsetzung erfährt das Doppelgängermotiv in Verwechslungs- und Doppelgängergeschichten, wie dem Roman “Siebenkäse” von Jean Paul. In der Malerei ist dieses Motiv ebenfalls häufig zu finden. So hat der Maler Caspar David Friedrich in vielen seiner Landschaften einsame Figuren, meist als Figurenpaar in Rückenansicht, integriert, die die Landschaft betrachten (wie du auf unserem Artikelbild beispielhaft sehen kannst. Es zeigt Friedrichs Gemälde "Zwei Männer in Betrachtung des Mondes".)
Phantastik und Okkultes
Die Romantik belebte die Sagenwelt des Mittelalters neu, denn anders als die Aufklärung, die diese Zeit als dunkel und rückständig abgelehnt hatte, verklärten die Romantiker und Romantikerinnen das Mittelalter zu einem “Goldenen Zeitalter”. Mit dem damit einhergehenden Interesse an Sagen und Märchen wurden Fabelwesen wie Feen, Elfen, Gespenster, Wiedergänger oder Dämonen zu gängigen Motiven der Schwarzen Romantik. Sie zeigten, dass der Aberglaube nicht, wie von der Aufklärung gedacht, durch den wissenschaftlichen Fortschritt überwunden war.
So hatte die Romantik ebenfalls großes Interesse an Parawissenschaft, Parapsychologie, Alchemie, Magie, Nekromantie, Okkultismus, Satanismus und Hexerei. Die Literatur nahm die Mythen und Geschichten aus dem populären Aberglauben auf, wie du zum Beispiel an “Sage von den Bergwerken von Falun” von E.T.A. Hofmann sehen kannst.
Erotik und Sexualität
Da die Romantik sehr gefühlsbetont war, ist es naheliegend, dass sie sich auch mit Themen wie Erotik und Sexualität beschäftigte. Die Schwarze Romantik setzte sich auch hier wieder mit der dunklen Seite auseinander und griff zum Beispiel Paraphilie, Sadomasochismus und Perversion auf. Außerdem etablierte sich der Typus der Femme fatale, die in Gestalt der dämonischen Verführerin auftrat.
Das Schaurigschöne
Angelehnt an die englische Gothic Novel entwickelte die Schwarze Romantik eine Ästhetik des Hässlichen, Missgestalteten und Schrecklichen, von dem eine morbide Anziehungskraft ausging, die sich zudem auch sehr gut vermarkten ließ. Denn die Menschen waren fasziniert von der Darstellung des Schaurigschönen und hatten Spaß an der Angstlust, also an der Lust zum Gruseln.
Literatur der Schwarzen Romantik
Wie bereits erwähnt, ist der Schauerroman eine typische Literaturform der Schwarzen Romantik. Diese Textsorte der Epik entwickelte sich aus der englischen Graphic Novel und thematisiert übernatürliche Erscheinungen, Spuk, Angst, Wahnsinn und Tod.
Als Hauptvertreter der Schauerromantik gilt der deutsche Schriftsteller E.T.A. Hofmann. Er zählt neben Goethe und Kafka zu den einflussreichsten deutschen Autoren /-innen. Von ihm stammt unter anderem das bekannte Werk “Der Sandmann”. Darin verfällt die Hauptfigur Nathanael mehr und mehr dem Wahnsinn. Hofmanns Werke haben auch den amerikanischen Autor Edgar Allan Poe entscheidend geprägt. Dieser verfasste die erste Kurzgeschichte in der Literaturgeschichte. Eines seiner Werke, “Der Untergang des Hauses Usher”, wurde 2023 auch als Serie für Netflix adaptiert.
Wichtige Autoren /-innen und Werke
Autor /-in | lebte von | bekannte Werke |
---|---|---|
E.T.A. Hofmann | (1776–1822) |
“Der Sandmann”, “Die Elixiere des Teufels” |
Mary Shelley | (1797–1851) | “Frankenstein” |
Ludwig Tieck | (1773–1853) | “Der Runenberg” |
Victor Hugo | (1802–1885) | “Der Glöckner von Notre Dame” |
Edgar Allan Poe | (1809–1849) | “Der Untergang des Hauses Usher” |
FAQ: Häufige Fragen zur Schwarzen Romantik
Die Schwarze Romantik im Überblick
- Die Schwarze Romantik ist eine Unterströmung der Romantik.
- Typische Merkmale sind die Faszination für das Böse, das Düstere, das Unerklärliche, das Abgründige der Seele und die dunklen Seiten des menschlichen Daseins.
- Motive der Schwarzen Romantik sind Spuk, Schauer, Leid, Gewalt, Verfall und Tod sowie das Doppelgängermotiv, Okkultes, Erotik und das Schaurigschöne.
- Die Schwarze Romantik schuf eine Ästhetik des Unheimlichen und Hässlichen und zelebrierte die Angstlust.
- Als literarischer Hauptvertreter der Schwarzen Romantik gilt E.T.A. Hofmann.
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