Exilliteratur: Das sind die Merkmale der Epoche (1933–1945)

Elena Weber

Exilliteratur Erklärung

Auslöser für die Flucht ins Exil war die Bücherverbrennung 1933 durch die Nazis. | Foto: Bundesarchiv, Bild 102-14597 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0

Exilliteratur: Flucht vor dem Nationalsozialismus

Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Schriftsteller und Schriftstellerinnen, die ins Exil fliehen, also ihr Heimatland verlassen mussten. Bereits in der Antike waren Autoren wie Hipponax oder Ovid der Zensur und Verfolgung der Staatsmacht ausgesetzt, ein bekannter mittelalterlicher Exilautor ist Dante Aligheri. Zu einem generellen Phänomen in der Literaturgeschichte entwickelte sich die Exilliteratur im 16. Jahrhundert: Die Religionskriege zwangen zahlreiche protestantische Dichterinnen und Dichter, ihre katholischen Heimatländer zu verlassen, weil sie dort um ihr Leben fürchten mussten. 

Ende des 18. Jahrhunderts gewann die politische Exilliteratur an Bedeutung. Bekannte Exilschriftsteller dieser Zeit sind beispielsweise Heinrich Heine, Georg Büchner oder Victor Hugo. Die deutsche Exilliteratur entstand zwischen 1933 und 1945, als viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller vor dem Nationalsozialismus flohen. Die Exilliteratur bildet eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Sie schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an.

"Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir. Ich lebe im Kontakt mit der Welt und ich betrachte mich selbst nicht als gefallenen Menschen.“ (Thomas Mann, deutscher Schriftsteller, New York Times 1938)

Auf einen Blick: Exilliteratur

  • Zeitraum: 1933–1945
  • Einordnung: folgt auf die Neue Sachlichkeit
  • bedeutende Ereignisse: der Zweite Weltkrieg
  • Themen: Sehnsucht nach der Heimat, Widerstand gegen Nazi-Deutschland
  • Literatur: bevorzugt Prosa
  • Vertreter /-innen: Bertolt Brecht, Thomas Mann, Anna Seghers

Tipp

Referatsthemen

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Exilliteratur: Definition

Als Exilliteratur bezeichnet die Literaturgeschichte die Literatur von Autorinnen und Autoren, die aus politischen oder religiösen Gründen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Eine weitere Bezeichnung ist Emigrantenliteratur.

In der deutschen Literaturgeschichte gilt die Zeit zwischen 1933 bis 1945 als Epoche der Exilliteratur. Doch wie es bereits vor dieser Zeit Schriftsteller und Schriftstellerinnen gab, die gezwungen waren, aus religiösen und politischen Gründen ihre Heimat zu verlassen, so gibt es auch heute noch politisch verfolgte Autoren und Autorinnen, die ins Exil fliehen. Das Phänomen der Exilliteratur ist somit nicht auf eine einzige Epoche beschränkt.

Zeitgeschichtliche Einordnung

Es waren religiöse und politische Gründe, die Schriftsteller und Schriftstellerinnen zwangen, Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus zu verlassen. Bereits vor der Machtübernahme Adolf Hitlers gab es Verbotslisten mit angeblich antideutscher oder nicht-arischer Literatur. Das war Literatur, die nicht in die nationalsozialistischen Ideologie passte. Einschlägige Propaganda diskriminierte Autorinnen und Autoren öffentlich. Das verschärfte sich durch die Machtübernahme am 30. Januar 1933. Ausgangspunkt der Exilbewegung ist der Tag der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933. Alle nicht-arischen Werke wurden verboten und verbrannt. Daraufhin verließen viele Autorinnen und Autoren das Land.

Viele Autorinnen und Autoren wählten für ihr Exil zunächst europäische Länder wie Österreich, die Niederlande oder Frankreich. Doch mit Beginn des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1939 mussten sie erneut fliehen. Viele suchten Zuflucht in New York, Moskau oder Mexiko. Doch nicht alle Autoren und Autorinnen verließen Deutschland. Schriftsteller wie Erich Kästner, Frank Thiess oder Gottfried Benn blieben im Land und zogen sich in die so genannte innere Emigration zurück. Dass heißt, sie hatten gegenüber dem NS-Regime eine oppositionelle Haltung, wanderten aber nicht aus. Zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der Inneren Emigration und den Exilautoren und -autorinnen kam es nach Ende des Krieges zu einer Debatte, die die Epoche der Nachkriegsliteratur prägte.

Themen der Exilliteratur

Neben dem zeitgeschichtlichen Hintergrund, der für das Verständnis einer Epoche wichtig ist, musst du auch die Themen und Merkmale der Epoche kennen, damit du beispielsweise eine Gedichtanalyse schreiben oder eine andere Textform interpretieren kannst. Die Exilliteratur kannst du an folgenden Themen erkennen:

  • Sehnsucht nach der Heimat
  • Widerstand gegen Nazi-Deutschland
  • Aufklärung über den Nationalsozialismus

Weitere Literaturepochen

Merkmale der Exilliteratur

Anders als andere Epochen, die zum Beispiel bei der formalen Gestaltung – also in Sachen Metrum, Reimschema oder dem Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel – ganz charakteristische Merkmale aufweisen, ist die Exilliteratur nicht durch spezifische formale Merkmale gekennzeichnet. Den Exilliteraten und -literatinnen ging vor allem darum, sich mit den politischen und gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen, an formalen Experimenten hatten sie kein Interesse. Viele Autorinnen und Autoren setzten ihren vor 1933 eingeschlagenen Weg stilistisch fort und orientierten sich an der in der Weimarer Republik aufgekommenen Neuen Sachlichkeit, bei der es darum ging, die Wirklichkeit möglichst sachlich darzustellen.

Die Literatur im Exil

Die Literatur der ins Exil geflohenen Autorinnen und Autoren war inhaltlich von der Darstellung gesellschaftlicher und politischer Probleme geprägt. Stilistisch führten sie die Idee der Neuen Sachlichkeit fort. Dafür gab es eine bevorzugte Form: die Prosa. Die Lyrik spielte eher eine kleine Rolle. Und in der literarischen Gattung der Dramatik entwickelt sich vor allem das epische Theater von Bertolt Brecht zu einer neuen Ausdrucksform.

Exilprosa

Die bevorzugte literarische Gattung der Exilliteraten und -literatinnen war die Epik, hier vor allem der Roman. Das hatte einen ganz praktischen Grund: Romane hatten die größte Chance, veröffentlicht zu werden, da sie bei der internationalen Leserschaft am beliebtesten waren. Denn die Exilautoren und -autorinnen konnten nicht in Deutschland publizieren, sondern veröffentlichten ihre Werke bei ausländischen Verlagen. Die meisten dieser Romane richteten sich gegen das nationalsozialistische Regime. In einem geringeren Maße gab es aber auch unpolitische Literatur.

 Unter der Exilprosa entwickelten sich verschiedene Arten von Romanen:

Formen der Exilprosa

Form Merkmale  
Exilromane Sie sind eine literarische Verarbeitung der Exilsituation und wollten vor allem über das Dritte Reich und den Nationalsozialismus aufklären. Dazu wurde entweder die Vorgeschichte des Nazi-Regimes dargestellt oder das nationalsozialistische Deutschland modellhaft in den Romanen abgebildet. Das bekannteste Beispiel für einen Exilroman ist "Transit" (1944) von Anna Seghers.  
Zeitromane Hiermit versuchten die Autorinnen und Autoren die Gegenwart, also die aktuelle Zeit, vollständig und nachvollziehbar darzustellen. Dazu analysierten sie die Gesellschaft und ihre Lebensbedingungen und wie sich diese auf den Einzelnen auswirken. Häufig sind diese Romane als Zeitkritik zu verstehen.  
Historische Romane Sie waren bei den Exilliteraten und -literatinnen besonders beliebt und basierten oft auf Erzählungen und Fabeln, die starke Parallelen zur Entwicklung in Deutschland aufwiesen. Ein Beispiel dafür ist "Der falsche Nero" von Lion Feuchtwanger. Außerdem beschäftigten sie sich mit der jüdischen Geschichte oder enthielten satirische Anspielungen auf NS-Politiker.  
Utopische Romane Bei utopischen Romanen ging es um eine Utopie, also um eine imaginäre Zukunft. Wie etwa "Das Glasperlenspiel" von Hermann Hesse zeigt, war für diese Form der Exilprosa vor allem ein ausgeprägter Kulturpessimismus typisch. Das bedeutet, dass man den zukünftigen Entwicklungen in der Kultur sehr negativ gegenüberstand.   

Exillyrik

Da es, ganz anders als bei den Romanen, kaum Publikationsmöglichkeiten gab, spielte die Lyrik in der Exilliteratur kaum eine Rolle. Viele Gedichte erschienen erst nach Kriegsende 1945. Insgesamt war die Exillyrik geprägt von Dichterinnen und Dichtern wie Else Lasker-Schüler oder Bertolt Brecht – und das waren Autoren und Autorinnen, die bereits vor 1933 und damit vor Beginn der Exilliteratur in Erscheinung getreten waren.

Exildramatik

Noch schwieriger als für Dichterinnen und Dichter war die Situation für Dramatiker und Dramatikerinnen. Denn sie waren nicht nur davon abhängig, dass ihre Werke veröffentlicht, sondern auch davon, dass sie an einem Theater aufgeführt wurden. Das war allerdings eher selten der Fall. Hauptsächlich wurden zeitgenössische Stücke verfasst, die Kritik am NS-Regime übten.

Eine besondere Form des Theaters, das sich zu dieser Zeit etablierte, ist das epische Theater. Das hatten Bertolt Brecht und Erwin Piscator bereits in den 1920er Jahren entwickelt. Das epische Theater verbindet die literarischen Gattungen Epik und Dramatik, also die erzählende und die theatralische Form der Literatur, indem beispielsweise ein Erzähler eingeführt wurde, der das Geschehen präsentiert. Außerdem wird die Handlung durch Kommentare und Lieder unterbrochen. Durch diesen sogenannten Verfremdungs- oder V-Effekt soll das Publikum eine kritische Distanz zur Handlung einnehmen. Es geht nicht um den Unterhaltungseffekt, nicht um Mitgefühl oder die Möglichkeit der Identifikation. Vielmehr sollen sich die Zuschauer und Zuschauerinnen kritisch mit dem Gesehenen auseinandersetzen. Diese distanzierte Haltung war ein vollkommener Bruch mit der bisherigen Theatertradition. 

Wichtige Autoren /- innen und Werke

Autor /-in lebte von bekannte Werke
Thomas Mann  1875–1955 "Die Buddenbrocks" oder "Doktor Faustus"
Bertolt Brecht 1898–1956  "Die heilige Johanna der Schlachthöfe"
Heinrich Mann 1871–1950 "Die Jugend des Henri Quatre"
Kurt Tucholsky 1890–1935 "Christoph Kolumbus"
Anna Seghers 1900–1983 "Transit"
Lion Feuchtwanger 1884–1958 "Der falsche Nero"

Probleme im Exil

Insgesamt gab es für die Autorinnen und Autoren, die im Exil lebten, nur begrenzte Möglichkeiten, ihre Werke in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Aus diesem Grund hatten die meisten von ihnen große Probleme, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Außerdem hatten sie mit bürokratischen Problemen zu kämpfen: Eingereist waren sie meist mit gefälschten oder fast abgelaufenen Pässen und weil ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen wurde, mussten sie eine Duldung durch die Einwanderungsbehörde erreichen. Ihr Leben im Exil war somit von der dauerhaften Angst vor Abschiebung, den Anfeindungen der Bevölkerung und materiellen Sorgen geprägt. Auch deswegen begingen viele Exilautorinnen und -autoren Selbstmord.

Sehr anschaulich verdeutlicht Bertolt Brecht in seinem Gedicht "Zufluchtsstätte" die Situation der Exillautoren. Das Gedicht entstand 1937. Brecht selbst verbrachte die Zeit von 1933 bis 1939 im dänischen Exil. Seine dortige Situation beschreibt er in diesem Gedicht:

Ein Ruder liegt auf dem Dach. Ein mittlerer Wind
Wird das Stroh nicht wegtragen.
Im Hof für die Schaukel der Kinder sind
Pfähle eingeschlagen.

Die Post kommt zweimal hin
Wo die Briefe willkommen wären.
Den Sund herunter kommen die Fähren.
Das Haus hat vier Türen, daraus zu fliehn.

Einerseits befindet sich der lyrische Sprecher an einem sicheren Ort, der vor den mittleren Winden – eine Metapher für die unruhige politische Situation im nationalsozialistischen Deutschland – geschützt ist. Andererseits liegt das Ruder griffbereit zur Flucht. Somit greift Brecht in der ersten Strophe das Gefühl der Unsicherheit auf, das die Exilautoren hatten. Denn gerade in den deutschen Nachbarländern wurde die Bedrohung der Exilliteraten und -literatinnen zu dieser Zeit immer größer.  In der zweiten Strophe thematisiert er die Einsamkeit im Exil und die Sehnsucht nach Nachrichten aus der Heimat. Außerdem taucht auch hier wieder das Thema der Flucht auf. Damit spricht Brecht einige Probleme der Autorinnen und Autoren im Exil an: das Bewusstsein allgegenwärtiger Gefahr und Einsamkeit.

FAQ: Häufige Fragen zur Exilliteratur

Was sind die Merkmale der Exilliteratur?

Die Exilliteratur ist nicht durch spezifische formale Merkmale gekennzeichnet. Den Exilliteraten und -literatinnen ging vor allem darum, sich mit den politischen und gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen

Warum Exilliteratur?

Die Exilliteratur versteht sich als Widerstand gegen den Nationalsozialismus und ist von antifaschistischen Inhalten geprägt. Themen sind Heimweh, der Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme sowie die Aufklärung über das Leben im nationalsozialistischen Deutschland.

Wann war die Exillyrik?

Die Exilliteratur bezeichnet eine Epoche zwischen 1933 und 1945, fällt also in die Zeit des Nationalsozialismus.

Exilliteratur im Überblick:

  • Die Exilliteratur entsteht im Ausland. Grund dafür ist die politische und religiöse Verfolgung durch das NS-Regime.
  • Die Exilliteratur versteht sich als Widerstand gegen den Nationalsozialismus und ist von antifaschistischen Inhalten geprägt.
  • Themen sind Heimweh, der Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme sowie die Aufklärung über das Leben im nationalsozialistischen Deutschland.

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