Was ist ein Oxymoron? Wir erklären es dir
Das Stilmittel Oxymoron kommt in der Literatur, aber auch im Alltag vor. | Foto: monkeybusinessimages / Getty Images
Oxymoron: ein etwas unbekannteres Stilmittel
Wenn du Begriffe wie Metapher, Personifikation oder Alliteration hörst, hast du wahrscheinlich direkt eine Ahnung, was sich dahinter verbirgt. Vielleicht fallen dir sogar sofort ein paar passende Beispiele ein. Einige sprachliche Mittel kommen so häufig vor, dass man über sie nicht groß nachdenken muss. Andere rhetorische Mittel hingegen sind deutlich unbekannter und wecken nicht sofort die passenden Assoziationen. Das Oxymoron ist so ein Fall. Deswegen erklären wir dir hier alles, was du über dieses Stilmittel wissen musst.
Definition: Das ist ein Oxymoron
Wie bei vielen Stilmitteln so leitet sich auch die Bezeichnung Oxymoron aus dem Griechischen ab und wie so oft kannst du bereits dem Namen entnehmen, was diese rhetorische Figur ist. Denn das Wort Oxymoron besteht aus den Bestandteilen “scharfsinnig” und “stumpfsinng, dumm” und kann mit “scharfsinniger Unsinn” übersetzt werden. Wie du siehst, verbinden sich in diesem Begriff also zwei Wörter mit gegensätzlichen Bedeutungen. Und genau das passiert auch bei dem sprachlichen Stilmittel Oxymoron.
Das Oxymoron besteht aus zwei gegensätzlichen Begriffen, die sich widersprechen oder einander ausschließen. Schon sein Name ist somit ein Oxymoron.
Gut zu wissen
Der Plural von Oxymoron ist Oxymora.
Oxymoron Beispiele
Bei einem Oxymoron geht es um den bewussten Einsatz widersprüchlicher Begriffe, wie zum Beispiel
- bittersüß
- offenes Geheimnis
- stiller Schrei
- teuflisch gut
- weniger ist mehr
- Hassliebe
- alter Knabe
- altes Mädchen
- Quadratur des Kreises
Hieran kannst du erkennen, dass diese Wörter eigentlich nichts miteinander zu tun haben, weil sie eben gegensätzlich sind. Der Widerspruch wird aber aufgehoben, weil sich neue Sinnzusammenhänge ergeben.
Ein Oxymoron erkennen
Ein Oxymoron zu erkennen, ist eigentlich nicht schwer. Zuerst identifizierst du den Gegensatz. Nehmen wir das Beispiel “Hassliebe”. Hass und Liebe sind zwei Gegensätze, die sich eigentlich ausschließen. Der Widerspruch besteht darin, dass man eigentlich niemanden lieben kann, wenn man ihn hasst und umgekehrt. Unter Hassliebe kannst du dir als Leser oder Leserin aber trotzdem etwas vorstellen. Denn Hassliebe beschreibt die starke emotionale Beziehung zu einer Person, die sich mal in Zu-, mal in Abneigung äußert. Die beiden intensiven Gefühle Hass und Liebe kommen gleichermaßen in der Beziehung vor. Das Oxymoron schafft durch die Verbindung dieser zwei Gegensätze also einen neuen, tieferen Sinn.
Sonderform: Contradictio in adiecto
Es gibt eine Sonderform des Oxymorons: die Contradictio in adiecto. Das bedeutet “Widerspruch in der Beifügung” und liegt vor, wenn sich das Oxymoron aus einem Adjektiv und einem Nomen zusammensetzt, wie zum Beispiel:
- stiller Schrei
- lebende Leiche
- bittere Süße
Eigentlich hat das Adjektiv ja die Aufgabe, das Nomen näher zu beschreiben. Als Eigenschaftswort beinhaltet es ja Informationen über das Substantiv. Bei der Contradictio in adiecto passt die Beschreibung aber nicht, weil sie einen Widerspruch ergibt.
Gut zu wissen
Sollte dir diese etwas umständliche Bezeichnung bei deiner nächsten Interpretation nicht einfallen, ist das kein Problem. Es reicht aus, wenn du es als Oxymoron identifizierst.
Wirkung und Funktion
Natürlich soll die bewusste Verbindung von scheinbaren Widersprüchen eine bestimmte Wirkung erzielen. Welche Wirkung das konkret ist, kommt im Einzelfall immer auf den Text an, in dem dir das Stilmittel begegnet. Allerdings gibt es ein paar allgemeine Funktionen des Oxymorons, die du dir merken kannst:
- Aufmerksamkeit wecken: Der scheinbare Widerspruch sorgt dafür, dass der Leser oder die Leserin an der Aussage hängen bleibt.
- Dadurch wird er oder sie zum Nachdenken angeregt.
- Außerdem kann es eine Mehrdeutigkeit aufzeigen und die verschiedenen Ebenen einer Situation oder eines Gefühls sichtbar machen.
Im Allgemeinen bietet das Oxymoron somit eine Möglichkeit, komplexe und oft widersprüchliche Emotionen und Ideen auszudrücken.
So kannst du ein Oxymoron interpretieren
Schauen wir uns die Wirkung dieser sprachlichen Figur anhand von drei Beispielen genauer an und überlegen uns, wie wir das Oxymoron in einem konkreten inhaltlichen Zusammenhang interpretieren können.
Paul Celan: Die Todesfuge
Das Gedicht “Die Todesfuge” von Paul Celan stammt aus dem Jahr 1944/45 und thematisiert die Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten. Es beginnt mit den Worten:
Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
[...]
Die ersten zwei Wörter des Gedichtes lauten “Schwarze Milch” – ein Oxymoron, genauer gesagt eine Contradictio in adiecto, da es aus Adjektiv und Nomen besteht. Das Wort “Milch” impliziert, dass die Flüssigkeit weiß ist. Das Adjektiv “schwarz” ist ein Gegensatz dazu und erzeugt einen Widerspruch. Beim Leser oder der Leserin kommt unmittelbar der Gedanke auf: Milch ist doch gar nicht schwarz.
Die Erwartung der Lesenden, mehr noch, eine Selbstverständlichkeit wird hier ins Gegenteil verkehrt. Die Milch ist hier kein Nahrungsmittel, kein Lebensspender. Sie hat die Farbe des Todes – und den Tod bringt sie auch. Die Metapher von der Schwarzen Milch der Frühe wird im Gedicht mehrfach wiederholt, was die Grausamkeit des Holocausts ebenso zum Ausdruck bringt wie die damit verbundenen mehrfach vorkommenden Anaphern “wir trinken”. Paul Celan gelingt es mit dem Oxymoron, die unvorstellbare Realität in den Vernichtungslagern, die Ausweglosigkeit und die Verzweiflung zum Ausdruck zu bringen, ohne konkrete Ereignisse zu schildern.
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau: Vergänglichkeit der Schönheit
Bei unserem zweiten Beispiel handelt es sich um das Barockgedicht “Vergänglichkeit der Schönheit” von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. Darin heißt es:
Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand
Die Verwendung antiker rhetorischer Stilmittel gehörte im Barock zur Grundausrüstung jedes Dichters. Das Stilmittel des Oxymorons war in dieser Literaturepoche so beliebt, weil es Gegensätze aufgreift. Ein typisches Merkmal des Barock ist sein antithetisches Weltbild. Das zeigt sich auch an Hoffmann von Hoffmannswaldaus Sonett: Die Adjektive warm und kalt sowie Schnee und Sand stehen sich als Antithesen gegenüber. Gleichzeitig bilden die Kombinationen “warmer Schnee” und “kalter Sand” eine Contradictio in adiecto, denn Schnee ist eigentlich nicht warm und Sand nicht kalt. Sie
Der warme Schnee ist hier eine Metapher für die bleichen Schultern der schönen Frau, die das lyrische Ich beschreibt. Sie sind warm, weil sie lebendig ist. Doch sie wird sterben und ihr Körper wird zu kaltem Staub zerfallen. Mit diesem Oxymoron bringt der Autor zwei wichtige Barock-Merkmale zum Ausdruck: Memento mori, bedenke, dass du sterben wirst, und Vanitas, alles ist vergänglich.
Joseph von Eichendorff: Abschied
Unser drittes Beispiel dafür, wie du ein Oxymoron interpretieren kannst, stammt aus der Epoche der Romantik. In dem Gedicht "Abschied” von Joseph von Eichendorff aus dem Jahr 1810 flieht das lyrische Ich vor der Wirklichkeit in die Natur. Damit thematisiert es ein typisches Motiv der Romantik: den Rückzug in Fantasie- und Traumwelten und in die Natur.
In der dritten Strophe heißt es:
Da steht im Wald geschrieben
ein stilles, ernstes Wort
[...]
Das Oxymoron bilden hier die Wörter “stilles” und “Wort”. Ein Wort muss gesprochen werden, es kann nicht still sein. Der Autor möchte damit ausdrücken, dass die Menschen dieses Wort nicht hören können und unterstreicht, dass im Wald, in der Natur, die Wahrheit liegt. Auch das passt zum Weltbild der Romantik: Sie lehnte die Wirklichkeit ab und suchte Zuflucht in der Natur, die sie als Ort verstand, in dem der Mensch sich selbst finden und verwirklichen konnte.
Gut zu wissen
Nur weil es sich bei unseren drei Beispielen um Gedichte handelt, bedeutet das nicht, dass Oxymora nur in der Lyrik vorkommen. Du findest sie in allen literarischen Gattungen. In lyrischen Texten sind sie aber am häufigsten vertreten, weil diese eine sehr bildhafte Sprache verwenden.
Ähnliche Stilmittel
Es gibt einige Stilmittel, die dem Oxymoron nicht unähnlich sind. Damit es bei deiner nächsten Textanalyse nicht zu Verwechslungen kommt, erklären wir dir hier wie du das Oxymoron von den sprachlichen Figuren Paradoxon, Antithese und Pleonasmus abgrenzt.
Paradoxon
Ein Paradoxon ist ein Scheinwiderspruch, also ein Widerspruch, der eigentlich keiner ist, sondern der nur auf den ersten Blick unsinnig wirkt. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich daraus jedoch ein tieferer Sinn, etwas bei dem Satz “Ich weiß, dass ich nichts weiß”. Anders als das Oxymoron besteht das Paradoxon aus einem ganzen Satz.
Antithese
Auch eine Antithese besteht aus Gegensätzen. Anders als beim Oxymoron stehen sich in einer Antithese diese Gegensätze aber lediglich gegenüber und werden nicht miteinander verbunden, zum Beispiel wie in der Aussage “Sie setzen Himmel und Hölle in Bewegung”.
Pleonasmus
Das Gegenteil des Oxymorons ist der Pleonasmus. Er bezeichnet eine unnötige Wortdopplung. Das bedeutet, dass ein Wort überflüssig ist, weil das andere Wort dessen Bedeutung bereits in sich trägt. Beispiele dafür sind “tote Leiche” oder “weißer Schimmel”, denn der Begriff “Leiche” impliziert ebenso, dass sie tot ist, wie der Begriff “Schimmel”, dass das Pferd weiß ist.
Stilmittel | Erklärung | Beispiel |
---|---|---|
Oxymoron | Verbindung aus Wörtern gegensätzlicher und/oder weit auseinanderliegender Bedeutung | bittersüß, Hassliebe, dummschlau |
Contradictio in adiecto | Sonderform des Oxymorins, bestehend aus Adjektiv und Nomen | bittere süße, schwarze Milch |
Paradoxon | Scheinwiderspruch, der einen tieferen Sinn hat | Ich weiß, dass ich nichts weiß. |
Antithese | Gegenüberstellung von Gegensätzen | Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. |
Pleonasmus | Gegenteil des Oxymorons; Kombination von zwei Begriffen, die die gleiche Bedeutung haben | tote Leiche, weißer Schimmel |
FAQ: Häufige Fragen
Das Oxymoron im Überblick
- Das Oxymoron erkennst du daran, dass Wörter gegensätzlicher und/oder weit auseinanderliegender Bedeutung miteinander in Verbindung gebracht werden.
- Es entsteht ein neuer Sinn.
- Durch ein Oxymoron können komplexe und oft widersprüchliche Emotionen und Ideen ausgedrückt werden.
- Es macht auf eine Aussage aufmerksam und regt zum Nachdenken an.
- Eine Sonderform des Oxymorons ist die Contradictio in adiecto. Sie besteht aus einem Adjektiv und einem Nomen, zum Beispiel "alter Knabe" oder "bittere Süße".
- Das Gegenteil des Oxymorons ist der Pleonasmus.
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