Was ist ein Chiasmus? Alle Infos zum Stilmittel
Der Chiasmus ist ein Stilmittel, das oft in Gedichten vorkommt. | Foto: Jose Miguel Sanchez / Getty Images
Chiasmus: eine Satzfigur
Du kannst rhetorische Mittel in verschiedene Gruppen einordnen. Unterscheiden kannst du zwischen Satzfiguren, Wortfiguren und Klangfiguren sowie bildhaften Figuren wie Tropen. Sie alle beziehen sich auf unterschiedliche Aspekte: Klangfiguren wie zum Beispiel eine Alliteration erreichen einen besonderen Effekt durch den Klang der Wortverbindung, Wortfiguren beziehen sich auf Wörter und zu den Tropen gehört zum Beispiel die Metapher, deren bildhafte Funktion durch eine inhaltliche Übertragung erfolgt. Außerdem gibt es die Satzfiguren. Das sind Stilmittel, die sich auf die Struktur und den Aufbau eines Satzes beziehen. Zu ihnen gehört der Chiasmus. Und genau diese sprachliche Figur und ihre Wirkung erklären wir dir hier.
Definition: Das ist ein Chiasmus
Der Begriff “Chiasmus” ist die latinisierte Version des altgriechischen Begriffs chiasmós, der “kreuzweise, diagonale Anordnung über Kreuz” bedeutet. Es handelt sich um ein rhetorisches Mittel, bei dem Satzglieder und Teilsätze zweier meist aufeinanderfolgender Sätze spiegelverkehrt angeordnet sind. Sie kreuzen sich sozusagen. Das geschieht meist nach dem Schema Subjekt-Prädikat-Objekt zu Objekt-Prädikat-Subjekt. Damit ist der Chiasmus ein Stilmittel, das sich auf Struktur und Aufbau eines Satzes bezieht und zu der Gruppe der Satzfiguren gehört.
Gut zu wissen
Eine hilfreiche Eselsbrücke: Der Begriff „Chiasmus“ leitet sich von dem griechischen Buchstaben χ (chi) ab. Dieser sieht fast aus wie ein X und steht bildlich für die Überkreuzstellung der Satzglieder.
Chiasmus: Beispiele
Am einfachsten nachvollziehbar ist der Chiasmus anhand von Beispielen. Ein gängiges Beispiel für dieses Stilmittel ist der Satz
„Die Welt ist groß, klein ist der Verstand.“
Er stammt aus Goethes Faust und ist ein Chiasmus, weil die Satzstellung des ersten Teilsatzes im zweiten gekreuzt wurde. Der erste Teil des Satzes besteht aus den Satzgliedern Subjekt (Die Welt), Prädikat (ist) und adverbialer Bestimmung der Art und Weise (groß). Im zweiten Satzteil nach dem Komma haben die adverbiale Bestimmung und das Subjekt den Platz getauscht. Die Abfolge der Satzglieder lautet hier: adverbiale Bestimmung (klein), Prädikat (ist), Subjekt (der Verstand).
Den gleichen Aufbau findest du auch in folgenden Beispielen:
- „Eng ist die Welt und das Gehirn ist weit.“ (Friedrich Schiller, “Wallenstein”)
- “Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben (Goethe, Faust I)
Daran kannst du einen Chiasmus erkennen
Um einen Chiasmus zu erkennen, solltest du mit den Satzgliedern vertraut sein, denn auf ihre Stellung im Satz bezieht sich dieses Stilmittel ja. Im Deutschen gibt es vier Satzglieder:
- Subjekt
- Prädikat
- Objekt
- Adverbiale Bestimmungen
Sie sind die Bausteine, die dir zur Verfügung stehen, um einen Satz zu bauen. Jedes Satzglied hat eine eigene grammatikalische Funktion. Um was für ein Satzglied es sich handelt, kannst du durch Fragen ermitteln.
Das Subjekt
Das Subjekt ist das wichtigste Satzglied. Ohne ein Subjekt ist es nicht möglich, einen grammatikalisch vollständigen Satz zu bilden. Es ist der Handlungsträger und als solcher immer eine Person oder eine Sache. Das Subjekt ist immer ein Nomen, eine Nominalgruppe oder ein Pronomen und steht immer im ersten Fall, dem sogenannten Nominativ. Das bedeutet, du kannst es ganz leicht mit “Wer oder was?” erfragen.
Beispiel:
Trudy und Bartosz treffen sich zum Filmabend. -> Wer trifft sich zum Filmabend? Trudy und Bartosz.
Das Prädikat
In jedem Satz gibt es ein Verb. In seiner grammatikalischen Funktion wird es als Prädikat bezeichnet. Es ist das zweite Satzglied, auf das du in einem Satz nicht verzichten kannst. Es wird auch als Satzaussage bezeichnet, weil sich das Prädikat immer auf das Subjekt bezieht und beschreibt, was dieses tut.
Das Prädikat zu erkennen, ist nicht schwer, denn die einzige Wortart, die eine Tätigkeit angeben kann, ist das Tätigkeitswort: das Verb. Dieses kann in verschiedenen Konjugationen oder Zeiten auftreten und dadurch auch aus mehreren Wörtern bestehen, etwa wenn es in einer zusammengesetzten Zeit wie dem Perfekt (Ich habe gegessen) oder dem Plusquamperfekt (Ich hatte gegessen) vorliegt. Es enthält aber immer eine finite Form. Das bedeutet, dass es sich aufgrund bestimmter grammatikalischer Merkmale ändert. Diese Merkmale sind Person, Numerus, Tempus, Genus oder Modus.
Beispiel:
Trudy und Bartosz treffen sich zum Filmabend. -> Was tun Trudy und Bartosz? sich treffen -> sich treffen = Prädikat
Das Objekt
Anders als Subjekt und Prädikat ist das Objekt ein Satzglied, das du nicht unbedingt im Satz brauchst. Es liefert dir Zusatzinformationen, ist für die grammatikalische Funktionalität eines Satzes aber nicht zwingend erforderlich. Es handelt sich um eine Satzergänzung, die angibt, an wem das Subjekt seine Handlung vollzieht. Objekte können in verschiedenen Fällen stehen: im Genitiv, im Dativ oder im Akkusativ. Erfragen kannst du sie je nach Fall mit “Wessen?”, (Genitiv) “Wem oder was?” (Dativ) oder “Wen oder was?” (Akkusativ).
Beispiele:
Trudy ist sich ihres Talents für Fußball bewusst.
Wessen ist Trudy sich bewusst? -> ihres Talents für Fußball.
Sarah hilft ihrer Oma im Garten
Wem hilft Sarah im Garten? -> ihrer Oma
Elif hat ihre Freundin vor zwei Jahren kennengelernt.
Wen hat Elif vor zwei Jahren kennengelernt? -> ihre Freundin
Adverbiale Bestimmungen
Das vierte und letzte Satzglied gibt die Umstände an, unter denen sich die im Satz geschilderte Handlung vollzieht. Die adverbialen Bestimmungen liefern Antworten auf die Fragen:
- Wann?
- Wo?
- Warum?
- Wie?
Adverbiale Bestimmungen können aus einem oder mehreren Wörtern bestehen, sind aber nicht nötig, um einen Satz aus grammatikalischer Sicht vollständig zu machen. Wie das Objekt vermitteln sie zusätzliche Informationen. Du kannst es dir auch so merken: Subjekt und Prädikat sind Pflicht, sie liefern die Basisinfos, ohne die es nicht geht. Objekt und adverbiale Bestimmungen sind die Add-ons, die dich mit weiteren Informationen versorgen.
Es gibt verschiedenen Arten von adverbialen Bestimmungen. Insgesamt kannst du zwischen
- adverbialen Bestimmungen des Ortes,
- adverbialen Bestimmungen der Zeit,
- adverbialen Bestimmungen der Art und Weise und
- adverbialen Bestimmungen des Grundes.
Bei einem Chiasmus sind die Satzglieder über Kreuz angeordnet. Das erkennst du, indem du die Satzglieder bestimmst. Dabei kannst du dir optisch helfen: Schreibst du zwei Sätze oder Teilsätze untereinander und bestimmst die Satzglieder, kannst du sie anschließend mit einer Linie verbinden. Dabei ergibt sich dann ein Kreuz.
Praktisch dabei: Chiasmen kommen vor allem in Gedichten vor. Da diese in Strophen angeordnet sind, stehen die einzelnen Verse ohnehin schon untereinander. So bietet es sich in lyrischen Texten besonders an, nach diesem Stilmittel Ausschau zu halten.
Chiasmus: Wirkung und Funktion
Hast du einen Chiasmus entdeckt, geht es im nächsten Schritt darum, seine Wirkung zu erklären. Das tust du immer, indem du das Stilmittel in Bezug zum Inhalt des Textes setzt. Du musst das Rad aber nicht komplett neu erfinden, denn es gibt ein paar allgemeine Aussage über Wirkung und Funktion von Chiasmen, die du dir im Vorfeld merken und dann im konkreten Fall anwenden kannst:
- Betonung: Wie jedes Stilmittel, so hebt auch der Chiasmus eine Aussage oder einen Inhalt besonders hervor. Dem Inhalt des Textes musst du konkret entnehmen, was das ist.
- Verbindung von Versen: Durch die besondere Anordnung der Satzglieder können zwei aufeinanderfolgende Verse in einem Gedicht miteinander verbunden werden.
Besonders häufig tritt der Chiasmus im Zusammenhang mit einem anderen sprachlichen Mittel auf: der Antithese. Bei einer Antithese handelt es sich um die sprachliche Gegenüberstellung gegensätzlicher Begriffe und Gedanken. Diese wird durch eine Chiasmus verstärkt, da dieser diese Gegenüberstellung in der Satzstruktur sichtbar macht.
Ähnliche Stilmittel
Es gibt noch weitere Stilmittel, die sich auf den Satzbau beziehen und dem Chiasmus ähnlich sind. Das sind der Epanodos und der Parallelismus.
Epanodos
Der Epanodos ist eine Sonderform des Chiasmus. Er ordnet Satzglieder zweier Sätze oder Teilsätze ebenfalls über Kreuz an. Die Besonderheit: Auch die Wörter werden wiederholt.
Beispiel
„Wer nicht kann, was er will, der wolle, was er kann.“ (Leonardo Da Vinci)
Bei einem Epanodos handelt es sich also um die Wiederkehr der verwendeten Worte in umgekehrter, – chiastischer – Reihenfolge.
Parallelismus
Ein Parallelismus meint die identische Abfolge von Satzgliedern in aufeinanderfolgenden Sätzen oder Satzteilen.
Beispiel:
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Ein Parallelismus liegt immer dann vor, wenn aufeinanderfolgende Sätze die gleiche Satzstruktur haben. Sie verlaufen parallel.
Antithese
Eine Antithese ist die Gegenüberstellung von gegensätzlichen Gedanken. Oft stehen sich dabei gängige Gegensatzpaare gegenüber.
Beispiel:
Sie setzen Himmel und Hölle in Bewegung.
Hochmut kommt vor dem Fall
Wie oben bereits angesprochen, treten Antithesen häufig in Verbindung mit Chiasmen auf, weil sie sich durch die überkreuzte Satzstellung zusätzlich betonen lassen.
Stilmittel | Erklärung | Beispiel |
---|---|---|
Chiasmus | Überkreuzung von Satzgliedern in aufeinanderfolgenden Sätzen oder Satzteilen | Die Welt ist groß, klein ist der Verstand. |
Epanodos | Überkreuzung von Satzgliedern in aufeinanderfolgenden Sätzen oder Satzteilen, die aus den gleichen Wörtern bestehen | Wer nicht kann, was er will, der wolle, was er kann |
Parallelismus | identische Abfolge von Satzgliedern in aufeinanderfolgenden Sätzen oder Satzteilen | Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. |
Antithese | Gegensätze | Hochmut kommt vor dem Fall. |
Weitere Infos
Mehr zu Parallelismus und Antithese kannst du hier nachlesen:
Parallelismus: Alle Infos zu diesem Stilmittel
Jetzt lesenAntithese: Was du über dieses Stilmittel wissen musst
Jetzt lesenFAQ: Häufige Fragen
Der Chiasmus im Überblick
- Der Chiasmus ist ein Stilmittel, das sich auf den Satzbau bezieht.
- Ein Chiasmus ist eine Überkreuzung von Satzgliedern in aufeinanderfolgenden Sätzen oder Satzteilen.
- Er kommt in allen literarischen Gattungen vor, besonders häufig findest du ihn in der Lyrik.
- Chiasmen werden gerne bei politischen Debatten bzw. Reden, in der Dichtung oder der Werbung eingesetzt.
- Er dient dazu, Aussagen hervorzuheben oder zu betonen.
- Oft kommt er in Verbindung mit Antithesen vor.
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