Was ist eine Anapher?
Das sprachliche Mittel der Anapher findest du in jedem Text. | Foto: LeManna / Getty Images
Die Anapher: beliebt in der Werbung
Anaphern begegnen dir in verschiedenen Bereichen. Nicht nur in der Literatur und der Rhetorik, sondern auch in der Werbung sind sie ein beliebtes Stilmittel. Werbeslogans wie "Carglass repariert, Carglass tauscht aus” oder “Für die einen ist es Duplo, für die anderen die wahrscheinlich längste Praline der Welt” sind auch deshalb so einprägsam, weil sie Anaphern nutzen. Doch was ist eine Anapher eigentlich? Wir verraten dir, wie du eine Anapher erkennen und vor allem, wie du sie in deiner Textanalyse interpretieren kannst.
Das ist eine Anapher
Wie bei vielen Stilmittel leitet sich auch der Begriff “Anapher” aus dem Griechischen ab. Er bedeutet “Rückbeziehung”. Von einer Anapher spricht man bei einer Wortwiederholung am Satzanfang. Das heißt, dass ein Wort oder mehrere Wörter am Anfang aufeinander folgender Sätze wiederholt werden. Dabei kann es sich um Satzteile, Strophen oder Verse handeln, die Wiederholungen können einfach oder mehrfach vorkommen. Du kannst es aber auch einfacher ausdrücken und dir die Anapher einfach als gleiche Satzanfänge merken.
Als Stilmittel gehört die Anapher zu den sogenannten Klangfiguren. In diese Kategorie fallen alle sprachlichen Figuren, die durch ihre Lautgestalt, also ihren Klang wirken.
Wusstest du, dass…?
… die Anapher zu den ältesten und häufigsten sprachlichen Stilmitteln gehört? Besonders oft kommt sie in der religiösen Sprache vor.
Die Wirkung einer Anapher
Natürlich soll auch mit dem Stilmittel der Anapher eine bestimmte Wirkung erzielt werden. Auch wenn die konkrete Wirkung von sprachlichen Mitteln immer im textlichen Zusammenhang gesehen werden muss, lassen sich allgemeine Aussagen über die Wirkungsweise von Anaphern treffen, die du in deiner nächsten Interpretation problemlos auf den zu analysierenden Text übertragen kannst.
Die Wirkung einer Anapher:
- Sie macht Texte rhythmischer.
- Sie verleiht Texten eine gewisse Struktur.
- Sie hebt bestimmte Wörter hervor.
- Durch die Wiederholung betont sie gezielt inhaltliche Aspekte des Textes.
So bleibt die Anapher leicht im Gedächtnis und macht Aussagen einprägsam. Die Anapher ist somit in der Lage, unsere Aufmerksamkeit zu lenken, bestimmte Botschaften zu verstärken und eine emotionale Reaktion hervorzurufen.
Auch die Rhythmisierung ist ein wichtiger Aspekt, insbesondere in Gedichten, in denen ein Metrum eingehalten werden muss. Darüber hinaus verleiht die Anapher dem Gedicht einen bestimmten Klang und sorgt so auch auf dieser Ebene dafür, die Bedeutung des Textes zu vermitteln.
Eine Anapher erkennen
Ähnlich wie die Alliteration gehört die Anapher zu den einfachsten Stilmittel. Das liegt daran, dass sie optisch leicht zu erkennen ist. Anders als beispielsweise bei einer Metapher musst du dazu nicht tief in den Text eintauchen oder eine Übertragungsleistung erbringen. Denn dass zwei oder mehrere Satzanfänge identisch sind, kannst du sehen. Eine Anapher zu erkennen, ist somit auch dann problemlos möglich, wenn dir das Herausarbeiten rhetorischer Mittel sonst eher schwerfällt.
Eine Anapher interpretieren
Eine sprachliche Figur erkennen und benennen zu können, ist immer gut, aber leider gerade erst der Anfang. Denn die entscheidende Frage ist immer: Was bedeutet sie? Wenn du Funktion und Wirkung einer Anapher kennst, ist diese Frage gar nicht mehr so schwer zu beantworten. Anhand von drei Beispielen zeigen wir dir, wie du die Wirkung einer Anapher im textlichen Zusammenhang erklären und interpretieren kannst.
Beispiel 1: “Der Erlkönig” von Johann Wolfgang von Goehte
Ein anschauliches Beispiel für eine Anapher findest du in Goethes berühmter Ballade “Der Erlkönig”, die als naturmagische Ballade der Literaturepoche des Sturm und Drang zuzuordnen ist. Sie handelt von einem Vater, der seinen kranken Sohn zum Arzt bringt. Beim Ritt durch den nächtlichen Wald beginnt der Sohn vom Erlkönig zu fantasieren.
In der ersten Strophe heißt es:
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.
Hier haben wir gleich drei Satzanfänge mit dem Personalpronomen “Er”. Mit Hinblick auf die Handlung des Gedichtes lässt sich interpretatorisch daraus Folgendes ableiten: Das Personalpronomen “Er”, mit dem der Vater gemeint ist, erfährt durch die Wiederholung eine besondere Betonung. Sie sorgt dafür, dass der Fokus auf dem Vater liegt. Er ist die handelnde Person, seine schützende Funktion wird ebenso hervorgehoben wie die Hilflosigkeit des Kindes. Die Rollen scheinen zu Beginn des Gedichts also klar verteilt: Der Sohn ist auf den Vater angewiesen, der Vater beschützt das Kind. Der weitere Verlauf der Handlung mit dem Auftauchen des Erlkönigs stellt diese Rollenverteilung in Frage.
Darüber hinaus wirkt sich die Metapher auch auf den Klang aus und macht die Ballade melodisch.
Beispiel 2: “Die schlesischen Weber” von Heinrich Heine
Das Gedicht “Die schlesischen Weber” aus der Feder von Heinrich Heine entstand im Jahr 1844 und gehört zu den politischen Werken des Vormärz. Es bezieht sich auf ein historisches Ereignis: den Aufstand der Weber, die 1844 in Schlesien gegen Ausbeutung und Lohnverfall protestierten und so auf die soziale Frage aufmerksam machten. Heines Gedicht beschreibt ihr Elend.
Das Gedicht beginnt wie folgt:
Im düstern Auge keine Thräne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben Dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch –
Wir weben, wir weben!
Die Anapher ist in dieser ersten Strophe eines der auffälligsten Stilmittel. Sie beschränkt sich nicht allein auf das Personalpronomen “Wir”, sondern schließt auch das Verb “weben” mit ein, besteht in diesem Fall also aus zwei Wörtern. Ganze vier Mal wird “Wir weben” in der gerade einmal fünf Verse langen Strophe wiederholt, im letzten Vers sogar zwei Mal. Dass damit etwas besonders betont werden soll, ist offensichtlich. Aber was?
Heines Gedicht handelt von den schlesischen Webern. Er lässt sie hier selbst zu Wort kommen, sie sind das “Wir”. Damit verleiht Heine den unterdrückten Webern eine Stimme, was das Gedicht, ganz im Sinne des Vormärz, hochpolitisch macht. Gleichzeitig zeigt die Wiederholung des Pronomens “Wir”, dass es sich hier um eine Einheit handelt, die zusammenhält. Da auch das Verb “weben” wiederholt wird, wird zudem eine Bezug zur Tätigkeit der Weber hergestellt.
Beispiel 3: “In der Fremde” von Joseph von Eichendorff
Unser drittes Beispiel für eine Anapher findest du in der ersten Strophe des Gedichts “In der Fremde” von Joseph von Eichendorff aus dem Jahr 1833. Typisch für die Epoche der Romantik, aus der dieses Gedicht stammt, spiegelt darin die Natur persönliche Erfahrungen und Gefühle des lyrischen Ichs wider.
Ich hör die Bächlein rauschen
Im Walde her und hin,
Im Walde in dem Rauschen
Ich weiß nicht, wo ich bin.
In dieser Strophe gibt es zwei Anaphern. Die erste besteht aus dem Personalpronomen “Ich” und kommt im ersten und im vierten Vers vor. Ähnlich einem umarmenden Reims umschließt sie die zweite Anapher “Im Walde”. An diesen beiden Anaphern kannst du sehen, wie sehr literarische Werke Spiegel ihrer Zeit sind, denn was die Anaphern hier wiederholen sind zwei typische Motive der Romantik-Epoche: Das “Ich” zeigt den Ich-Bezug der Epoche, die den Fokus auf das Individuum und dessen Gefühle gelegt hat. Der Ort “im Walde” ist ein typischer Schauplatz romantischer Werke, an denen sich die Verbundenheit der Romantiker /-innen mit der Natur zeigt.
Gut zu wissen
Dass unsere drei Beispiele für eine Anapher alle aus einem Gedicht bzw. einer Ballade stammen, dient der Veranschaulichung und bedeutet nicht, dass es Anaphern nur in Gedichten gibt. Du kannst sie in allen literarischen Gattungen und in allen Textsorten finden.
Ähnliche Stilmittel
In der Gruppe der Wiederholungsfiguren gibt es neben der Anapher noch einige weitere. So gibt es beispielsweise ein Stilmittel für die Wiederholung eines Wortes oder Satzteils am Ende oder eines für die Umrahmung eines Satzes durch die Wiederholung desselben Wortes. In ihrer Wirkung gleichen sie der Anapher.
Stilmittel | Erklärung | Beispiel |
---|---|---|
Epipher | einmalige oder mehrfache Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe am Ende aufeinander folgender Sätze oder Verse | Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit! ("Das trunkene Lied", Friedrich Nietzsche) |
Anadiplose | Wiederholung des letzten Wortes bzw. der letzten Wortgruppe eines Satzes (oder Verses) am Anfang des folgenden Verses oder Satzes | Ha! Wie will ich dann dich höhnen! Höhnen? Gott bewahre mich! (Friedrich Schiller, "An Minna") |
Kyklos | Umrahmung eines Satzes, Verses oder einer anderen syntaktischen oder semantischen Einheit durch die Wiederholung desselben Wortes oder des gleichen Satzgliedes | Entbehren sollst du! sollst entbehren! (Goethe,"Faust I") |
FAQ: Häufige Fragen
Die Anapher im Überblick
- Die Anapher bezeichnet gleiche Satzanfänge.
- Sie wird eingesetzt, um Wörter besonders zu betonen, etwas hervorzuheben oder einen Text zu strukturieren oder ihn rhythmischer zu machen.
- Anaphern findest du in allen Textsorten.
- Die Anapher ist leicht zu erkennen und außerdem ein sehr häufiges Stilmittel.
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