Biedermeier Epoche (1815–1848): Rückzug in die heile Welt
Die Familie war das Ideal des Biedermeier. | Foto: gemeinfrei
Die Biedermeier Epoche: Trautes Heim
Eine bürgerliche Wohnstube. Die Möbel sind elegant, die Farben freundlich. Familienbilder in schmalen, schön gearbeiteten Rahmen schmücken die Wände. Alles ist behaglich und gemütlich. Am Tisch sitzen Vater und Mutter. Er ist das Familienoberhaupt, sie blickt mit sanftem Blick auf die fünf Kinder, die sich um sie scharen, adrett in Kleidchen und Schürzchen gekleidet.
So eine Beschreibung klingt ziemlich altmodisch und spießig. Und tatsächlich stammt diese Szene aus dem Alltag einer Epoche, in der eine konservative, häusliche Lebenswirklichkeit das Ideal war: der Biedermeier. Doch die Leute von damals waren nicht einfach nur langweilig. Ihre Biederkeit hatte einen guten Grund. Wir erklären dir, welcher das ist und was sonst noch für die Biedermeier Epoche typisch ist.
Inhaltsverzeichnis
"Eines nur ist Glück hienieden, Eins: des Inneren stiller Frieden Und die schuldbefreite Brust! Und die Größe ist gefährlich, Und der Ruhm ein leeres Spiel; Was er, gib und nichtige Schatten, Was er nimmt, es ist so viel" (aus "Der Traum ein Leben" von Franz Grillparzer).
Auf einen Blick: Biedermeier
- Zeitraum: 1815–1848
- Einordnung: zeitgleich zu Vormärz und Junges Deutschland
- bedeutende Ereignisse: Wiener Kongress und Märzrevolution
- Merkmale: Rückzug ins Private, Resignation, Familie, heimische Idylle
- Literatur: literarische Kleinformen
- Vertreter /-innen: Annette von Droste-Hülshoff, Eduard Mörike, Franz Grillparzer
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Biedermeier Epoche: Definition
Die Literaturepoche des Biedermeier fällt in die Zeit zwischen dem Wiener Kongress in den Jahren 1814/15 und der Märzrevolution 1848. Sie bildet mit den zeitgleich verlaufenden Strömungen Junges Deutschland und Vormärz die Literatur der Restaurationsepoche und war die dominanteste von ihnen. Der Biedermeier prägte nicht nur die Literatur, sondern war eine eigenen Kultur des Bürgertums, die sich in Musik, Architektur, Mobiliar und Mode widerspiegelte.
Der Begriff geht auf die fiktive Figur des schwäbischen Dorfschullehrers Gottlieb Biedermaier zurück. Der von dem Dichter Ludwig Eichrodt (1827–1892) erfundene Biedermaier war eine Karikatur des damaligen Bürgers: kleingeistig, bieder und am politischen Geschehen völlig desinteressiert. Somit ist die Bezeichnung ursprünglich negativ behaftet. Noch heute verbinden wir mit dem Biedermeier das Kleinbürgerliche, Häusliche und Private.
Zeitgeschichtliche Einordnung
Die Zeit des Biedermeiers ist politisch gesehen eine Zeit der Restauration. Das bedeutet, die politische Ordnung in Europa sollte wieder so hergestellt werden, wie sie es vor der Französischen Revolution gewesen war. Beschlossen wurde das auf dem Wiener Kongress. Oberstes Ziel war es, die Monarchie wiederherzustellen. Dazu schlossen sich die konservativen Herrscher Preußens, Österreichs und Russlands zur "Heiligen Allianz" zusammen. Die Ideen der Französischen Revolution waren damit zunichtegemacht.
Die Proteste der Bevölkerung wurden durch die Karlsbader Beschlüsse (1819) mit Zensur und dem Verbot der Studentenverbindungen bestraft. Das verstärkte das Misstrauen in die Obrigkeit. Insgesamt war die Epoche des Biedermeier eine Zeit, in der Kritik am System und politische Mitsprache verboten waren. Statt sich dagegen zu wehren, zog sich die Mehrheit enttäuscht ins Private zurück, wo sie sich in ihrer eigenen kleinen Welt vor den Konflikten und Unruhen abschottete.
Merkmale des Biedermeier
Typisch für die Biedermeier Epoche ist der Rückzug ins eigene Heim. Die Literatur dieser Zeit setzte den realen Verhältnissen eine idyllische, heile Welt entgegen und erklärte Häuslichkeit und Geselligkeit zum höchsten Gut. Das Idealbild der Biedermeierzeit waren die Familie und bürgerliche Tugenden wie Fleiß, Pflichtgefühl, Treue und Bescheidenheit. So zeigen Gemälde dieser Zeit stets die perfekte Familienidylle: Die Familie sitzt glücklich im Wohnzimmer, die zahlreichen Kinder umringen eine liebevoll lächelnde Mutter und das väterliche Familienoberhaupt.
Dieses biedermeierliche Idyll wirkt auf uns heute überholt und spießig. Den Menschen von damals gab aber genau das ein Gefühl von Sicherheit in einer von Revolutionen, Kriegen und politischen Unruhen erschütterten Welt. Mit dieser nach innen gerichteten Lebensweise entflohen die Menschen der Wirklichkeit und fanden Ruhe und Harmonie. Sie sehnten sich nach der "guten alten Zeit", der Zeit vor der französischen Besatzung und Französischen Revolution, weshalb der Biedermeier auch als konservativ beschrieben wird.
Weitere Literaturepochen
- Barock (1600–1750)
- Aufklärung (1720–1800)
- Empfindsamkeit (1740–1790)
- Sturm und Drang (1765–1790)
- Weimarer Klassik (1786–1831)
- Romantik (1795–1835)
- Vormärz (1815–1848)
- Junges Deutschland (1830–1835)
- Realismus (1848–1890)
- Naturalismus (1880–1900)
- Moderne (1880–1920)
- Impressionismus (1890–1920)
- Symbolismus (1890–1920)
- Expressionismus (1905–1925)
- Neue Sachlichkeit (1918–1933)
- Exilliteratur (1933–1945)
- Trümmerliteratur (1945–1950)
- Nachkriegsliteratur (1945–1990)
- Neue Subjektivität (1970er Jahre)
- Postmoderne Literatur (ca. 1989–2011)
- Gegenwartsliteratur (ab 1990)
Die Merkmale des Biedermeier im Überblick:
- Rückzug ins Private
- Resignation
- keinerlei politisches Engagement
- Akzeptanz der gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten
- Sehnsucht nach heimischer Idylle
- Familie als Idealbild
- tiefe Naturverbundenheit
- Religiosität
Der Bildungsbürger der Zeit war einerseits sehr an Kultur interessiert und ging ins Theater, interessierte sich für Musik, Malerei und Dichtkunst und nahm an Lesezirkeln teil. Gleichzeitig ignorierte das Bürgertum, dass die Industrialisierung vielen Menschen Armut und soziales Elend brachte. Es versuchte, die schwierigen Verhältnissen mit Ordnung, dem Schaffen eines sicheren Heims und einem Rückzug aus der Welt in die Natur zu bewältigen.
Unterschiede zum Vormärz
Mit diesen Merkmalen ist der Biedermeier das komplette Gegenteil zu den zeitgleich verlaufenden Strömungen Vormärz und Junges Deutschland. Wo der Biedermeier konservativ und duldsam war und passiv in seiner kleinen heilen Welt lebte, protestierten Junges Deutschland und Vormärz aktiv gegen die Obrigkeit. Ihre Literatur war hochpolitisch und wollte das System ändern. Die Vertreterinnen und Vertreter des Biedermeier wiederum ergaben sich in ihr Schicksal und verschlossen die Augen vor den politischen und sozialen Problemen ihrer Zeit. Ihre Ideale des Guten und Schönen knüpften an die der Romantik und der Klassik an, auch wenn diese nicht so weltentrückt waren wie das romantische Weltbild.
Literatur des Biedermeier
Die Menschen der Biedermeierzeit hatten kein Interesse an politischen Schriften. Literatur sollte ästhetisch sein und sich in das familiäre Idyll eingliedern. Folglich verfassten die Autorinnen und Autoren friedliche und harmonische Texte, die das Bürgertum beim familiären Kaffeekränzchen oder in Lesezirkeln lesen und rezitieren konnte. Aus diesem Grund bestimmten vor allem literarische Kleinformen die Literatur der Biedermeierzeit.
Autor /-in | lebte von | bekannte Werke |
---|---|---|
Annette von Droste-Hülshoff | 1797–1848 | "Die Judenbuche" oder "Der Knabe im Moor" |
Eduard Mörike | 1804–1875 | "Er ist’s" und "Maler Nolten" |
Franz Grillparzer | 1791–1872 | "Der Traum ein Leben" |
Adalbert Stifter | 1805–1868 | "Nachsommer" |
Lyrik
Die Lyrik der Biedermeier Epoche ist bildhaft, aber einfach gehalten. Auch die formalen Merkmale wie Metrum oder Reimschema sind schlicht. Thematisch beschäftigten sich die Gedichte, die oft in Zyklen veröffentlicht wurden, mit dem persönlichen Rückzug, individuellen Naturerfahrungen und Religiosität. Zu den bekanntesten Lyrikern und Lyrikerinnen des Biedermeier gehören Annette von Droste-Hülshoff, Franz Grillparzer und Eduard Mörike. Von Mörike stammt das berühmte Frühlingsgedicht "Er ist’s" aus dem Jahr 1829:
Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab’ ich vernommen.
Neben der tiefen Naturverbundenheit zeigt dieses Gedicht auch die einfache, aber bildhafte Sprache der Biedermeierzeit. Das Gedicht ist leicht zu lesen und es ist sofort verständlich, worum es geht. Versmaß und Reimschema sind simpel. Außerdem ist das Gedicht mit neun Versen recht kurz und es transportiert eine friedvolle und harmonische, beinah liebliche Atmosphäre – ebenfalls typisch Biedermeier.
Epik
Auch in der literarischen Gattung der Epik waren vor allem kurze Formen wie Kurzgeschichten oder Novellen verbreitet. Beliebt waren ferner Skizzen, Tagebücher, Briefe, Märchen, Reiseberichte und Satiren.
Die bekannteste Novelle aus der Biedermeierzeit ist "Die Judenbuche" von Annette von Droste-Hülshoff. Ihr zentrales Thema ist ein klassisches Biedermeierthema: die Abwendung von der Welt.
Dramatik
Die Dramatik wurde von den Autoren Franz Grillparzer, Ferdinand Jakob Raimund und Johann Nepomuk Nestroy dominiert. Ihre Werke waren melancholisch und pessimistisch, sodass das biedermeierliche Drama ebenso charakterisiert werden kann. Zudem findet sich in den Dramen dieser Epoche eine Hinwendung zum Düsteren. Typisch war zudem das Rührstück, dessen Funktion es war, die Zuschauer zu Tränen zu rühren. Fröhlicher ging es in den komödiantischen Stücken zu, etwa in den sehr übersteigerten Possen von Johann Nestroy.
FAQ: Häufige Fragen zm Biedermeier
Die Biedermeier Epoche im Überblick:
- Der Biedermeier verläuft parallel zu den Strömungen Junges Deutschland und Vormärz und der Epoche der Romantik.
- Typisch ist der Rückzug in die private Idylle.
- Wichtig sind Familie, Natur und Religion.
- Die Literatur des Biedermeier ist unpolitisch.
- Verbreitet waren literarische Kleinformen wie Novelle und Kurzgeschichte.
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