Merkmale einer Fabel erkennen
Merkmale einer Fabel sind ganz leicht zu erkennen. | Foto: seb_ra / Getty Images
Merkmale einer Fabel: mehr als eine Moral
Und die Moral von der Geschicht’ – oder besser gesagt: Die Moral von der Fabel. Denn die Moral ist das typische Merkmal, das dir beim Stichwort "Fabel" wahrscheinlich sofort in den Sinn kommt. Doch wie du es bereits von anderen Texten kennst, gibt es immer mehrere Merkmale, die eine Textsorte ausmachen. Neben der Frage "Was ist eine Fabel?" erklären wir dir hier, welche Merkmale einer Fabel es gibt, wie du die Moral einer Fabel erkennst und welche besondere Rolle Tiere in einer Fabel spielen.
Was ist eine Fabel?
Die Fabel ist eine kurze Erzählung, die immer eine Lehre beinhaltet. Als erzählender Text gehört sie zur literarischen Gattung der Epik. Typisch für Fabeln ist, dass Tiere, Pflanzen oder Mischwesen menschliche Eigenschaften besitzen und menschlich handeln. Charakteristisch ist zudem die Schlusspointe in Form einer allgemeingültigen Moral, die du aus der Fabel ableiten kannst.
Merkmale einer Fabel
Ob du eine Kurzgeschichten interpretierst, dich mit den Novellen-Merkmalen beschäftigst oder eine Gedichtanalyse schreibst: Um eine Interpretation zu schreiben, aber auch, um einen Text richtig zu verstehen, ist es wichtig, dass du die Merkmale der jeweiligen Textsorte kennst. Außerdem vermeidest du so unangenehme Fehler: Bei einem Romanauszug über das lyrische Ich zu sprechen, ist ein ziemlich dicker Patzer, der dich nicht erst bei Deutsch im Abitur Punkte kostet.
Wie alle Textsorten so haben auch Fabeln typische Merkmale, die dir helfen, eine Fabel als Fabel zu erkennen. Sie erleichtern dir aber auch die Analyse, weil sie dir erste Anhaltspunkte geben, die du bei der Textarbeit berücksichtigen solltest.
Merkmale einer Fabel sind:
- Tiere oder Pflanzen spielen die Hauptrolle.
- Einfachheit
- nur wenige Figuren
- keine charakterlicher Wandlung
- allgemeingültige Themen
- Zeit und Ort sind nicht genau benannt.
- eine belehrende Moral
Wie bei allen Textsorten gilt: Nicht jede Fabel weist immer alle diese Merkmale auf. Meist treffen aber mehrere Merkmale zu.
Tiere und Pflanzen
Isegrim, Reinecke oder Adebar – die Hauptrollen in Fabeln spielen vor allem Tiere. Sie verkörpern menschliche Eigenschaften, sind dabei aber bei weitem nicht so facettenreich, wie du es etwa von der Charakterisierung einer Romanfigur kennst. Stattdessen sind die Rollen der Fabeltiere eher einfach gestrickt, meist dominiert eine Haupteigenschaft, die sich durch die gesamte Erzählung zieht. So ist der Fuchs meist listig, der Esel dumm und der Wolf böse.
Da sich die Fabel bestimmter Eigenschaften bedient, die wir Tieren typischerweise zuschreiben, ist dabei oft schon vorhersehbar, wie die Tiere auf die jeweiligen Ereignisse reagieren werden. Typisch ist außerdem, dass Tiere in Fabeln bestimmte Namen haben. Hier ein kleiner Überblick über die gängigen Fabeltiere sowie ihre Namen und Eigenschaften:
Tier | Name in der Fabel | Eigenschaften |
---|---|---|
Bär | Petz, Meister Petz, Braun | gutmütig, freundich, etwas einfältig und naiv |
Dachs | Grimbart | nachdenklich, ruhig, unfreundlich |
Esel | Langohr, Boldeqyn | störrisch, faul |
Fuchs | Reinecke, Reinhart | schlau, listig, durchtrieben |
Hase | Lampe, Meister Lampe | ängstlich, vorsichtig, vorlaut |
Hund | Hylax | treu, sorglos |
Igel | Arbnora, Swineigel | schlau, klug |
Kater | Hinze, Murr, Murner | stur, eigensinnig |
Löwe | Leo, Leu, König der Tiere, Nobel | stolz, stark, königlich, mächtig |
Rabe | Pflückebeutel | besserwisserisch, diebisch, eitel, dumm |
Storch | Adebar, Meister Adebar | hochmütig, gelehrt, bringt die Kinder |
Wolf | Isegrim | verlogen, gierig, rücksichtslos, böse |
Meist stehen sich die verschiedenen Tiere als Gegner /-innen gegenüber oder tragen einen Streit aus. Begegnen dir dabei zum Beispiel Wolf und Fuchs, kannst du ziemlich sicher sein, dass am Ende der schlaue Fuchs über den bösen Wolf triumphieren wird. Aus diesem Grund sind Fabeln meist wenig überraschend, wecken dafür aber eine gewisse Erwartungshaltung. Zudem sind die Charaktere eindeutig zu erkennen und benötigen keine weitere Erklärung durch einen Erzähler, wie du es beispielsweise aus Romanen oder Kurzgeschichten kennst.
Tiere haben in Fabeln ganz bestimmte Eigenschaften. Damit du den Überblick behältst, kannst du dir die obrige Tabelle hier kostenlos als PDF herunterladen:
Einfachheit
Wie auch bei Märchen so ist die Einfachheit ein wesentliches Merkmal der Fabel. Es geht hier nicht darum, eine präzise Charakterstudie durchzuführen oder die Landschaft detailliert und in aller Breite zu beschreiben. Aus diesem Grund gibt es nur eine Haupt- und keine Nebenhandlung. Außerdem ist die Sprache meist simpel gehalten, um allgemein verständlich zu sein und die Menschen so belehren und unterhalten zu können.
Wusstest du, dass...
... die Überschrift einer Fabel meist schon die beiden Tiere nennt, um die es geht? "Der Wolf und das Lamm", "Der Fuchs und die Krähe" oder "Der Esel und der Fuchs" sind nur einige Beispiele dafür.
Einfachheit
Wie auch bei Märchen so ist die Einfachheit ein wesentliches Merkmal der Fabel. Es geht hier nicht darum, eine präzise Charakterstudie durchzuführen oder die Landschaft detailliert und in aller Breite zu beschreiben. Aus diesem Grund gibt es nur eine Haupt- und keine Nebenhandlung. Außerdem ist die Sprache meist simpel gehalten, um allgemein verständlich zu sein und die Menschen so belehren und unterhalten zu können.
Wenige Figuren
Passend zu der Einfachheit der Charaktere ist, dass auch die Anzahl der Figuren überschaubar ist. Es begegnen dir nur wenige Figuren, die keine Erklärung benötigen, weil ihre Rolle direkt klar ist. Die Figuren müssen übrigens nicht immer Tiere sein. Auch Fabelwesen oder Pflanzen können die Protagonisten /-innen sein.
Keine charakterliche Wandlung
Eine Charakterentwicklung ist in Fabeln nicht gewollt. Stattdessen verkörpern die Fabelwesen eine bestimmte menschliche Eigenschaft, mit der sie auf die Geschehnisse in der Erzählung reagieren. Wie erfolgreich sie dabei sind, steht schon zu Beginn fest, weil es in ihrer Rolle angelegt ist. Ziel davon ist es, dem Mensch einen Spiegel vorzuhalten, weshalb Eigenschaften auch übertrieben oder satirisch dargestellt werden können.
Allgemeingültige Themen
Die Einfachheit der Fabel dient dazu, auf allgemeingültige Themen zu verweisen. Meist werden menschliche Verhaltensweisen und Schwächen wie Neid, Eitelkeit ode Gier kritisiert.
Ungenaue Zeit- und Ortsangaben
Einfachheit bedeutet auch: Es gibt keine ode nur ungenaue Ort- und Zeitangaben. Das ergibt Sinn, wenn du dir klar machst, dass es einer Fabel darum geht, allgemeingültige Themen anzusprechen. Sie behalten so ihre Allgemeingültigkeit und sind nicht an eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten Ort gebunden.
Die Moral
Und damit sind wir am Schluss angekommen. Am Ende einer Fabel findest du meist die Moral. Nicht immer wird diese jedoch auch ausformuliert. Manchmal bist du auch selbst gefragt, über die Fabel nachzudenken und daraus eine Lehre abzuleiten. Diese lässt sich meist in einem Satz zusammenfassen, zum Beispiel "Auch Kleine können Großes bewirken" ("Der Löwe und die kleine Maus") oder "Hochmut kommt vor dem Fall ("Der Rabe und der Fuchs").
Der Aufbau einer Fabel
Zu den Merkmalen einer Fabel gehört auch ihr typischer Aufbau. Dieser ist dreigeteilt und setzt sich zusammen aus:
- Ausgangssituation (Erzählteil)
- Streit (Gespräch)
- Lösung
Ausgangssituation
Im ersten Teil der Fabel werden die Figuren eingeführt. Du lernst die Ausgangssituation kennen sowie den Konflikt, den die Fabeltiere oder -wesen austragen.
Streit
Im mittlere Teil der Fabel findet ein Gespräch zwischen den Tieren mit ihren meist gegensätzlichen Verhaltensweisen statt. Die unterschiedlichen Interessen werden deutlich. Außerdem verfestigen sich die bekannten Eigenschaften der Tiere.
Lösung
Der Schlussteil der Fabel beinhaltet die Lösung des Konflikts. Dieser sieht meist so aus, dass ein Fabeltier oder -wesen als Sieger /-in aus dem Streit hervorgeht und der oder die andere das Nachsehen hat. Daraus lässt sich dann auch die Lehre ableiten.
Wusstest du, dass...
… dir Tiere mit außergewöhnlichen Eigenschaften nicht nur in Fabeln begegnen? Sie sind auch typische Märchen-Merkmale. Beispiele, die sogar ein wenig an eine Fabel erinnern, sind Tiermärchen wie "Der Wolf und der Fuchs" oder "Die drei kleinen Schweinchen".
Beispiel für die Merkmale einer Fabel
Die Merkmale einer Fabel kannst du sehr leicht erkennen und nachvollziehen. Das zeigen wir dir am Beispiel der bekannten Fabel "Der Löwe und die kleine Maus" von Aesop, um 550 v. Chr., die dir vielleicht schon im Deutschunterricht begegnet ist.
Der Inhalt
Kurz zusammengefasst geht es in dieser Fabel darum: Ein Löwe fängt eine Maus. Die Maus bittet ihn, sie zu verschonen und verspricht, ihm zu Hilfe zu kommen, wenn er einmal in Not sei. Der Löwe lacht sie aus und kann sich nicht vorstellen, wie ein solcher Winzling ihm helfen solle. Dennoch lässt er sie laufen. Ein paar Tage später hört die Maus ein lautes Brüllen – der Löwe ist in einem Netz gefangen. Wie versprochen kommt die Maus dem Löwen zu Hilfe und zernagt das Netz mit ihren spitzen Zähnen. Damit rettet sie ihm das Leben.
Der Aufbau
An diesem Beispiel kannst du eindeutig den dreiteiligen Aufbau erkennen, der für Fabel typisch ist:
- Ausgangssituation: Die Maus tanzt auf dem schlafenden Löwen herum.
- Streit in Dialogform: Der Löwe fängt die Maus. Diese bittet ihn, sie gehen zu lassen und verspricht, sich dafür erkenntlich zu zeigen. Der Löwe glaubt nicht, dass sie ihm wegen ihrer Größe jemals helfen kann.
- Lösung: Der Löwe gerät in Schwierigkeiten und die Maus hilft ihm. Er erkennt, dass auch ein so kleines Tier eine große Hilfe sein kann.
Die Moral
Die Moral kannst du aus der Lösung der Fabel ableiten: Der Löwe unterschätzt die Maus wegen ihrer Größe. Die Maus beweist ihm aber, dass es nicht auf die Größe ankommt und dass selbst der Kleinste Großes tun kann. Der Lehrsatz, den du daraus ableiten kannst, könnte somit zum Beispiel "Die Größe sagt nichts über seine Fähigkeiten aus" oder "Auch der Kleinste kann Großes vollbringen" lauten.
Wenige Figuren
In dieser Fabel kommen nur der Löwe und die Maus vor.
Keine charakterliche Wandlung
Maus und Löwe machen keine charakterliche Entwicklung durch. Der Löwe fühlt sich überlegen, die kleine Maus ist clever.
Keine Orts- und Zeitangaben
Wir als Leser /-innen erfahren nicht, wann und wo diese Geschichte spielt. Es gibt keine Ort- und Zeitangaben. Lediglich anhand des Löwen könntest du eventuell ableiten, dass die Fabel in Afrika spielt. Das hat für die Fabel selbst aber keinerlei Bedeutung.
Allgemeine Einfachheit
Die Fabel besteht aus einer Haupt- und keiner Nebenhandlung. Die Sprache ist zudem leicht verständlich und einfach gehalten. Das macht sie leicht verständlich und ermöglicht es, sie weiterzuerzählen.
Allgemeingültige Themen
Die Fabel zeigt, dass auch die Mächtigen und Starken, hier in Gestalt des Löwen, dem König der Tiere, in Schwierigkeiten geraten können und auf die Hilfe der vermeintlich Schwächeren angewiesen sind.
Wusstest du, dass...
… die Personifikation von Tieren dem Autor auch dazu diente, sich vor Bestrafungen zu schützen? Gerade zu Zeiten der Aufklärung wurde viel Kritik an der Ständeordnung geübt. Dadurch, dass in einer Fabel aber Tiere und keine Menschen auftreten, handelt es sich um keine direkte Kritik an Zeitgenossen.
FAQ: Häufige Fragen zu den Merkmalen einer Fabel
Merkmale einer Fabel im Überblick
- Fabeln sind kurze Erzählungen mit einer Lehre am Ende.
- Die Hauptrolle spielen meist Tiere.
- Fabeltiere verkörpern menschliche Stereotype.
- Weitere Merkmale einer Fabel sind ihr dreiteiliger Aufbau, das Fehlen genauer Ort- und Zeitangaben sowie keine charakterliche Entwicklung der Figuren.
- Ziel einer Fabel ist es, bestimmte menschliche Verhaltensweisen und Eigenschaften zu kritisieren.
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