Coming-out in der Schule: Wie erzähle ich, dass ich homosexuell bin?

Denise Haberger - 28.05.2015

Coming-Out Schule

Das Coming-Out während der Schulzeit ist ein großer Schritt | Foto: Thinkstock/Maxvis

Erli: Kein großes Drama ums Coming-out

Erli, 17, war zwölf Jahre alt, als sie sich zum ersten Mal verliebte. Eigentlich nichts Besonderes, aber eine Kleinigkeit unterschied sie von vielen ihrer Altersgenossen: Sie hatte sich in ein Mädchen verliebt. "Für mich waren Jungs nie interessant", erzählt die Gymnasiastin aus der Nähe von München.

Aus ihrem Coming-Out hat sie kein großes Drama gemacht. "Ich habe meiner Familie nie gesagt, dass ich lesbisch bin. Ich habe einfach meine Freundin mit nach Hause gebracht." Ihre Familie hat ebenfalls keine große Sache daraus gemacht: "Ich kann mit meiner Mutter über alles sprechen und sie hat auch kein Problem, wenn meine Freundin über Nacht bleibt."

"Nie vor die Klasse gestellt und mich geoutet"

Ob ihre Mitschüler es wissen, ist ihr egal. Sie verheimlicht es nicht, posaunt es aber auch nicht heraus. "Ich habe mich nie vor die Klasse gestellt und mich geoutet", sagt Erli. "Viele wissen es nicht, sie könnten es aber über Facebook herausfinden."

Grundsätzlich geht es niemanden etwas an, ob sie nun auf Jungs oder Mädchen steht. Aber ganz ignorieren kann sie es nicht, wenn sie mit ihrer Freundin händchenhaltend durch die Stadt geht und dumme Sprüche kommen: "Mir ist das sehr unangenehm, vor allem weil die Leute damit in meine Privatsphäre eindringen."

In Erlis Freundeskreis war ihre Homosexualität kein Thema. "Ich hatte nie einen Freund, und wenn mich die Leute darauf angesprochen haben, habe ich ihnen eben erzählt, dass ich auf Mädchen stehe. Ich habe es noch nie erlebt, dass jemand schlecht darauf reagiert, wenn ich das Thema offen anspreche", erzählt Erli.

Jörn: In der Familie fehlt die Akzeptanz

Selbstbewusst geht auch der 18-jährige Jörn damit um. Mittlerweile. Denn der Schüler brauchte selbst einige Zeit, um sich über seine Gefühle klar zu werden. Er ahnte schon immer, dass er auf Jungs steht, sagt Jörn, sicher war er aber erst mit Anfang 16. "Es hat lange gedauert, bis ich mir das eingestanden habe", erzählt der 18-Jährige aus Kamen.

Auch seine Familie musste sich erst an die Tatsache gewöhnen, dass Jörn schwul ist. Vor allem seine Mutter akzeptiert es, ein Jahr nach seinem Outing, noch immer nicht ganz, bedauert er. Damals erzählte er ihr davon im Auto, bevor sie ihn bei seinem damaligen Freund absetzte. "Es passierte aus der Situation heraus", so Jörn. Die Reaktion darauf sei zwar nicht negativ gewesen, dennoch anders als erhofft: "Hauptsächlich verdrängt sie es. Wir reden heute vielleicht einmal im Monat kurz darüber."

Seine Freunde hingegen akzeptieren es vollkommen. Auch in der Schule gibt es keine Probleme. Seine Klasse steht hinter ihm. Er verheimlicht das nicht, es wissen aber auch nicht alle. "Mit vielen komme ich gar nicht in so eine Situation, in der man so etwas ansprechen kann."

Sarah: Mobbing in der Schule

Sarah aus Berlin, 18 Jahre alt, hat da ganz andere Erfahrungen gemacht. Sie wusste bereits mit elf Jahren, dass sie lesbisch ist. Damals verliebte sie sich in ihre beste Freundin. Kurz darauf outete sie sich in ihrer Klasse und damit begann der Spießrutenlauf: Ihre Mitschüler mobbten und beschimpften sie. "Die meisten Freunde nahmen Abstand von mir", erklärt sie.

Als ihre Noten schlechter wurden und ein Lehrer sich an ihre Mutter wandte, gestand Sarah auch ihr, dass sie auf Mädchen steht. Die Reaktion fiel verhalten aus. "In den ersten Jahren nahm mich meine Mutter nicht ernst", sagt sie. Mittlerweile hat sich das Verhältnis verbessert. "Meine Mutter nimmt mich jetzt ernster und mag sogar meine Freundin."

Das Outing war eine schmerzhafte Erfahrung

Rückblickend war ihr Outing für Sarah eine peinliche und schmerzhafte Erfahrung. "Ich war immer irgendwie der Freak", sagt sie. Dennoch sei das Outing wichtig gewesen: "Ich habe noch nie viel davon gehalten, mich verstecken zu müssen."

Verstecken muss sie sich auch nicht bei Lambda, einem Netzwerk für schwule und lesbische Jugendliche in Berlin. Dort besucht Sarah Freizeitgruppen, engagiert sich in einem Schulprojekt und denkt sogar darüber nach, zukünftig selbst eine Freizeitgruppe zu leiten. "Ich bin bei Lambda, weil ich dort kein Freak mehr bin. Weil ich mit anderen in meinem Alter Dinge unternehmen kann und endlich über die Dinge reden kann, die mich und eben auch die anderen dort beschäftigen", erklärt Sarah.

Unterstützung beim Coming-Out

  • Gruppen wie Lambda gibt es einige in Deutschland, vorwiegend jedoch in den Großstädten. Wie etwa in München. "Wir bieten einen Anlaufpunkt für Jugendliche, die aus dem Heteroschema herausfallen", erklärt Christina Nefzger von diversity, dem Dachverband der lesbischen, schwulen, bisexuellen und transgenden Jugendgruppen in München. Bei den verschiedenen Gruppen können die Jugendlichen Freizeit- und Beratungsangebote wahrnehmen.
  • Etwas anders packt das Medienprojekt querblick das Thema an. "Wir wollen die Jugendlichen, die bei uns arbeiten und auch die uns zuschauen, bei ihrer sexuellen Selbstfindung unterstützen", erklärt der Dortmunder Student und Initiator Falk Steinborn das Konzept. Das Mittel: authentische Videos. Oft gäbe es nur einen heterosexuellen Blick, einen Blick von außen, auf die Lebenssituationen von homosexuellen, bisexuellen oder transidenten Jugendlichen. "Wir wollen das ändern. Wir wollen vermitteln, was echt ist, damit das Thema als etwas Selbstverständliches wahrgenommen wird." Das von Jugendlichen produzierte Fernsehmagazin wird im Bürgerfernsehen und auf Youtube ausgestrahlt. Vor allem im Internet ist das Format beliebt, auch über Deutschland hinaus.

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