Ungewollt schwanger in der Schulzeit

Nathalie Klüver - 01.06.2015

Ungewollt schwanger Teenager

Wenn Kinder Kinder bekommen ... | Foto: Thinkstock/margaritabezkrovnaya

"Wie soll ich das alles schaffen?"

Eigentlich waren sie schon getrennt, hatten sich dann aber doch noch einmal getroffen. Und dann muss es passiert sein. Schwanger in der Schule. Trotz Verhütung. "Als ich zwei Wochen später überfällig war, schied deshalb für mich eine Schwangerschaft total aus", erzählt Melonie. Der Zeitpunkt war ja auch denkbar ungünstig: Mitten im Abiturstress, wer denkt da schon an ein Kind? Aber dann machte sie doch einen Schwangerschaftstest: positiv. Das konnte sie nicht glauben. Also machte sie einen zweiten. Wieder positiv. Jetzt ging Melonie zu ihrer Frauenärztin.

"Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger – aber richtig glücklich sehen Sie nicht aus?" Melonie erinnert sich noch genau an die Worte. Sie konnte nichts darauf antworten. Ihr ging nur durch den Kopf: Wie soll ich das alles schaffen? Die 13. Klasse hatte sie schon wiederholt, die Noten waren nicht allzu gut. Dann stand auch noch eine Abi-Prüfung in Sport an. Step-Aerobic, Handball, Standardtanz hatte sie dafür gewählt: Wie sollte das denn gehen? Mit Babybauch?

Bei acht von 1.000 Geburten in Deutschland ist die Mutter zwischen 15 und 19 Jahren alt, besagt die Statistik. Melonie ist eine fröhliche junge Frau mit breitem Lachen. Aber zu lachen war ihr in dem Augenblick nicht mehr zu Mute. Sie war 20 Jahre alt, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Am Tag ihres Abi-Balls ist sie 21 geworden, da war ihr Bauch schon nicht mehr zu übersehen. Ihr Abi hat sie geschafft – und sich für das Kind entschieden.

"Ich wusste, dass meine Eltern mich unterstützen"

Schon mit 14 war ihr klar, nicht abtreiben zu wollen, sollte sie ungeplant schwanger werden. Doch wenn so eine Situation eintritt, ist alles anders als in der Theorie: "Für einen Augenblick hatte ich tatsächlich überlegt, ob ich nicht doch abtreiben sollte." Aber etwas in ihr entschied sich intuitiv für das Kind – seitdem hat sie an der Entscheidung nie wieder gezweifelt. Mit ihrer Entscheidung ist sie nicht allein: Die Hälfte aller jungen Schwangeren entschließen sich dazu, das Kind zu behalten. Ab 16 dürfen sich Mädchen nach vorheriger Beratung alleine für eine Abtreibung entscheiden.

Auch ihr Ex-Freund wollte, dass sie das Kind austrägt, und versprach ihr sofort, sie bei allem zu unterstützen. Sie verstehen sich noch gut, er will für seine Tochter da sein. "Das wird er auch", ist sich Melonie sicher. Er, der sein Leben vorher nicht so richtig im Griff hatte, habe sich geändert, eine Ausbildung angefangen, vom Alkohol gelassen.

Ihre Eltern hingegen, denen sie als Erstes von dem Ergebnis des Schwangerschaftstestes erzählte, waren am Anfang nicht gerade begeistert von den Neuigkeiten. Sie verbaue sich ihre Zukunft, schließlich wollte sie doch studieren und überhaupt, sie ist doch so jung! Aber Melonie ließ sich nicht beirren. "Ich wusste auch, dass sie trotz aller Einwände zu mir stehen und mich unterstützen." Nachdem ihre Eltern mit bei einer der Ultraschalluntersuchungen waren, sind auch deren Zweifel verflogen: "Sie sind jetzt schon total verliebt in die Kleine."

"Wie soll ich jetzt die Schule zu Ende bringen?"

Viele junge Schwangere fühlten sich von der Umwelt nicht richtig ernst genommen, sagt auch Svenja Mönch, Beraterin von Profamilia. Oft seien die Väter nicht bereit, eine verantwortungsvolle Vaterrolle zu übernehmen, oder bezweifeln, dass sie die Väter sind. Häufig haben die jungen Mütter finanzielle Probleme, mit denen sie in die Beratung kommen. Und eine ganz häufig genannte Frage in den Beratungen: "Wie soll ich jetzt die Schule zu Ende bringen?"

Dieses Problem wurde Melonie von ihrem Klassenlehrer abgenommen, den sie gleich zu Beginn der Schwangerschaft informierte. Er verlegte ihre Prüfungen, organisierte alles. Nur ihre Klasse musste sie selbst von ihrer neuen Situation erzählen. Erst hat es keiner so richtig glauben können. Ihre Freundinnen meinten, sie würde ihre Zukunft verbauen. Doch mittlerweile gehen sie mit ihr Babysachen kaufen und freuen sich auf das Mädchen, das im Oktober auf die Welt kommen soll.

In ihrem Heimatort, einer norddeutschen Kleinstadt, ist sie richtig bekannt: "Immer wieder fragen mich fremde Leute auf der Straße, ob ich nicht die Melonie bin, die schwanger Abi gemacht hat."

Ihre Sportprüfung hat sie geschafft. Überhaupt, die Schwangerschaft verläuft ohne Probleme. Auch ihr Abitur klappte: "Ich glaube, es ist sogar besser geworden, als es ohne die Schwangerschaft gewesen wäre." Das Kind in ihrem Bauch war ihre Motivation, sich reinzuhängen: "Wenn ich ein Kind bekomme, dann muss ich den Abschluss schaffen: Wie soll ich sonst ein Kind großziehen?"

"Es tut gut, mit Menschen zu sprechen, die einen verstehen"

Nach dem Abitur ist sie von zuhause ausgezogen und lebt nun in einer Zweizimmerwohnung. Nicht, weil sie sich mit ihren Eltern nicht mehr versteht – im Gegenteil: "Wir halten als Familie zusammen und ich kann mit ihnen über alles sprechen." Aber sie wollte auf eigenen eigenen Füßen stehen, ihrer Tochter ein eigenes Zuhause bieten. Beim Umzug und Einrichten haben ihre Eltern ihr geholfen. Nun wartet sie auf die Geburt. Ob sie Angst davor hat? Ja, sagt sie, denn sie wird, obwohl ihre Mutter mitkommt, alleine sein. Auch in der ersten Zeit mit Baby. "Aber ich bin optimistisch", sagt sie – und so klingt sie auch.

Neun Monate Schwangerschaft seien ideal: Man kann sich langsam auf den Gedanken, ein Kind zu haben, einstellen, sich in Ruhe auf das, was kommt, vorbereiten. So alleine ist sie ja doch nicht. Sie hat ihre Freundinnen und ihre Familie. Und sie hatte keine Scheu davor, um Beratung zu fragen. Eine Familienhebamme unterstützt sie und wird auch die erste Zeit nach der Geburt für sie da sein. Bei Profamilia ließ sie sich beraten. Auch über Rechtliches und Finanzen. Einmal die Woche geht sie zu einem Frühstück für junge Mütter, wo sich junge Schwangere und junge Mütter treffen und austauschen: "Es tut gut, mit anderen zu sprechen, die einen verstehen."

Ein Jahr Babypause will sie erst einmal machen. Eigentlich hatte sie vor, Architektur mit Schwerpunkt Innenarchitektur zu studieren. Pünktlich zum Semesterbeginn im Oktober 2014 wäre ihre Babypause vorbei. Das würde gut passen. Und es gibt viele Hochschulen mit Kinderkrippen für die Studenten, da hat sie sich schon informiert.

Beratungsstellen

Ein positiver Schwangerschaftstest während der Schulzeit stellt alles auf den Kopf. Deshalb ist es wichtig, sich von Anfang an Unterstützung zu suchen. Dabei gibt es verschiedene Beratungsstellen, z. B. von Profamilia, den Kirchen (Caritas und Diakonie), aber auch vom Jugendamt. Dort gibt es Beratungen zu medizinischen Fragen, zu Themen wie Abtreibung oder Adoption, zu rechtlichen und finanziellen Dingen, aber auch dazu, wie es nach der Geburt weitergeht und welche Unterstützung es für die erste Zeit mit Baby gibt (beispielsweise durch Familienhebammen).

Weitere Infos unter: www.schwanger-unter-20.de, www.profamilia.de

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