Probieren geht über Studieren: das Orientierungssemester
Ein Orientiernungssemster hilft beim Weg an die Hochschule | Foto: Thinkstock/Tafiphoto
Wer die Studienwahl hat, hat die Qual
Vielen Schulabsolventen fällt es schwer, sich auf eine Sache festzulegen, die sie im Idealfall nicht nur während der Studienzeit interessiert, sondern die ihnen zudem eine zufriedenstellende Perspektive im Beruf bietet. Bei über 7.000 Studienfächern allein in Deutschland ist es gar nicht so einfach, sich zu entscheiden.
Auch die Universitäten haben längst bemerkt, dass die sich einschreibenden Studierenden seit "G8" immer jünger werden und dass die Quote der Studienabbrecher in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Um dem entgegenzuwirken, bieten immer mehr Hochschulen Studieninteressierten die Chance, die Studienfächer erst einmal auszuprobieren.
Während des sogenannten Orientierungssemesters können einzelne Fächer oder Studienschwerpunkte ausprobiert, Vorlesungen besucht und sogar Prüfungen abgelegt werden. Den Studieninteressierten soll so die hierauf folgende Entscheidung für ein Studienfach leichter fallen, hier können sie ihre Fähigkeiten und Interessen ausloten. Wer im Anschluss ein Studium wählt, in dem er bereits während des Orientierungssemesters Klausuren geschrieben hat, kann sich diese Leistungen in der Regel anerkennen lassen.
Orientierungssemester ist nicht gleich Orientierungssemester
Orientierungssemester können als Gasthörer oder als eingeschriebene Studierende absolviert werden. Die einzige Voraussetzung hierfür ist die mit dem Abitur erworbene Hochschulzugangsberechtigung. Bei der Suche nach einem geeigneten Angebot darf das Orientierungssemester für Studieninteressierte nicht mit den Vor- oder Einführungskursen verwechselt werden.
Während erstere ein "Schnuppern" in das Studienangebot ermöglichen, bereiten die Vorkurse Studienanfänger konkret auf das Studium des Faches vor. In diesem Fall wärst du bereits für ein Fach eingeschrieben und kurz vor Beginn deines ersten Semesters.
Drei Möglichkeiten des Orientierungsstudiums
Option 1: Die Gasthörerschaft
Verschiedene Universitäten bieten verschiedene Möglichkeiten an, um ein Orientierungssemester durchzuführen. Eine dieser Alternativen ist die Gasthörerschaft, die zum Beispiel durch die Universität Oldenburg angeboten wird. Schüler können sich kostenlos als Gasthörer anmelden und sowohl im Sommer- als auch im Wintersemester das Studienangebot der Universität kennenlernen.
Die Option, alle Fächer auszuprobieren wird auch als "Studium Generale" oder "Studium Universale" bezeichnet und eignet sich insbesondere für all jene Studieninteressierten, die sich grundsätzlich über die angebotenen Fächer informieren und diese "testen" möchten. Ob du am Ende Niederlandistik, Sport oder Nachhaltigkeitsökonomik studierst, bleibt so ganz deinen Interessen überlassen.
Option 2: Die Einschreibung
Die Technische Universität Berlin bietet mit seinem Angebot "MINTgrün" aktuell bis zu 100 Studieninteressierten die Möglichkeit zwei Orientierungssemester in den MINT-Fächern zu absolvieren. MINT-Fächer gehören zu den Bereichen der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Du kannst so an ausgewählten Veranstaltungen teilnehmen, die jeweiligen Labore besuchen, Prüfungen ablegen und dir diese im anschließend ausgewählten Fach anrechnen lassen.
Formal bist du während der Orientierungssemester im NC-freien Fach Physik eingeschrieben und genießt so unter anderem den Vorteil des Semestertickets für den öffentlichen Nahverkehr. Die Kosten für das Orientierungssemester entsprechen den regulären Studienbeiträgen in Berlin von etwa 300 Euro.
Option 3: Die Mischvariante
Einen anderen Gestaltungsweg bietet beispielsweise eine Kooperation zwischen der RWTH Aachen und der FH Aachen an. Ihr Programm für das Orientierungssemester heißt "Guter Studienstart im Ingenieurbereich" und erlaubt bis zu 200 Studieninteressierten sich bei beiden Hochschulen anzumelden. Du kannst während des Sommersemesters nicht nur die gängigen MINT-Fächer beider Hochschulen und ihre Praktika kennenlernen, sondern kannst zudem ein Semester lang ausprobieren, welcher Hochschultyp dir eher liegt.
Erst im anschließenden Wintersemester musst du dich für eine Hochschule und ein Studienfach entscheiden. Das Projekt kann sowohl mit einer Einschreibung und dem zugehörigen Studierendenausweis sowie Semesterticket absolviert werden als auch durch eine beantragte Gasthörerschaft. Auch hier können bereits absolvierte Prüfungen später anerkannt und die Studienzeit bei Bedarf entsprechend verkürzt werden.
Vorteile des Orientierungssemesters
Statt einer einzigen Orientierungswoche bietet das Orientierungssemester also Gelegenheit, sich an den Unistandort, die Hochschule und die formalen Tücken des Campuslebens zu gewöhnen. Du kannst die Fächer ausprobieren, die dich zwar interessieren, bei denen du aber nicht sicher bist, ob dich das Studium in diesem Bereich glücklich machen wird.
Dabei läufst du nicht Gefahr, erst nach einigen Semestern voller Frust festzustellen, dass du dich falsch entschieden hast. Außerdem wirkt sich das Orientierungssemester nicht negativ auf die Regelstudienzeit aus: Vielmehr gilt es als "nulltes" Semester und die Regelstudienzeit beginnt erst mit der "regulären" Einschreibung.
... und die Nachteile?
Ein Orientierungssemester kostet meist – ebenso wie ein reguläres Studium – Geld. Die Preise hierfür variieren zwischen den Hochschulen und den jeweiligen Bundesländern. Leider erfüllt ein Orientierungssemester nicht die Voraussetzungen, um durch BAföG gefördert zu werden: Damit ein Studierender BAföG bewilligt bekommt, muss das Studium auf einen berufsqualifizierenden Abschluss ausgerichtet sein. Sobald du aber regulär für ein Fach eingeschrieben bist, kannst du die Förderung beantragen – dies geht jedoch nicht rückwirkend, sondern nur für den Zeitraum ab Antragsstellung.
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