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Handwerkliche Berufe haben sich in den letzten Jahren stark gewandelt | Foto: shironosov/GettyImages
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06. Apr 2018

Birk Grüling

Zukunftsweiser

Ausbildung im Handwerk: Die Zukunft steht auf Gold!

Handwerk: Zollstöcke? Sind out!

Wer Abi macht, sieht eine Ausbildung meist eher als Notlösung oder Durchgangstation auf dem Weg zum Wunsch-Studium. Die Bezahlung ist mau, die Arbeitszeiten streng und die Zukunftsaussichten scheinen auf den ersten Blick begrenzt. Für viele begehrte Jobs als Ingenieur oder Unternehmensberater ist ein Studium "Minimal"-Voraussetzung. Was Schulabgänger schnell übersehen: Viele Ausbildungsberufe haben sich stark gewandelt – das gilt vor allem für das Handwerk.

Hinter dem leicht angestaubten Image verstecken sich viel Hightech und spannende Innovationen. Auf Baustellen kommen längst mehr Laser, Drohnen und Laptops zum Einsatz als Zollstöcke. In vielen Schreinerwerkstätten stehen 3D-Drucker und Elektroniker beschäftigen sich mit Zukunftsthemen wie Erneuerbare Energien oder Smart Home. Dazu kommen die guten Berufsperspektiven wie Josef Katzer, Präsident der Handwerkskammer Hamburg, betont: "Wer im Handwerk seine Berufung findet, der hat gute Verdienstmöglichkeiten, eine hohe Beschäftigungssicherheit und ausgezeichnete Perspektiven zur Weiterentwicklung."

Nach wie vor sind viele Lehrstellen unbesetzt!

Das Problem: Die meisten Schüler wissen nicht, was in den über 130 Ausbildungsberufen im Handwerk alles möglich ist. Daran haben auch großanlegte Imagekampagnen wenig geändert. Eine Folge: Im vergangenen Ausbildungsjahr blieben 15.298 Lehrstellen unbesetzt – vor allem Kfz-Mechatroniker, Elektroniker, Tischler und Anlagenmechaniker werden händeringend gesucht.

Auch Marie Lüpscher hat einen Umweg über den Campus eingelegt und vier Semester Bauingenieurwesen studiert. Glücklich wird sie nicht. "Die Vorlesungen waren oft sehr trocken. Mir fehlte der Praxisbezug", erzählt die 26-Jährige.

Auf der Suche nach Alternativen stößt sie auf ein Angebot der Handwerkskammer Hamburg und entschied sich für eine Ausbildung zur Elektronikerin mit Fachrichtung Energie und Gebäudetechnik bei Bellut, einem mittelständischen Elektrofachbetrieb. Zu den Auftraggebern zählen Industriebetriebe wie Airbus oder der Hamburger Hafen. Parallel studiert sie "Management Erneuerbarer Gebäudeenergietechnik" an einer Berufsakademie – am Wochenende und in drei Unterrichtsblöcken pro Jahr.


Ausbildung Handwerk Erfahrungsbericht


Auf­ bestem­ Weg­ zur­ Führungskraft

Anders als im ersten Studium hat Marie jetzt das Gefühl angekommen zu sein. Unter den Lehrlingen ist sie die einzige Frau und die einzige Abiturientin – Akzeptanzprobleme gibt es trotzdem nicht. "Meine Kollegen haben schnell gemerkt, dass mir die Arbeit Spaß macht und ich selbstständig Probleme lösen kann", sagt die 26-Jährige. Heute, ein Jahr nach der Gesellenprüfung, ist sie für die Planung von Schaltschränken für große Betriebsanlagen zuständig. Eine verantwortungsvolle Aufgabe: "Ich zeichne Schaltpläne und den Aufbau von Schaltschränken und schieße die Schränke beim Kunden an", erklärt die junge Elektronikerin.

Parallel schreibt sie ihre Bachelorarbeit. Im Master möchte sie sich weiter auf Erneuerbare Energien spezialisieren. Mit Mitte 20 ist Marie auf dem besten Weg zu einer Führungsposition in dem mittelständischen Handwerksbetrieb – Jobgarantie und gute Bezahlung inklusive.

Bezug zur Praxis ist in der Ausbildung gegeben

Eine andere, spannende Perspektive verfolgt Steffen Schröder. Der junge KFZ-Mechatroniker studiert Betriebswirtschaft und drückt an vielen Tagen nach einem Acht-Stunden-Arbeitstag bis 22 Uhr die Schulbank. Der Lohn für die Mühen: Mit einem Meister kann er sein eigenes Unternehmen führen. Die Chancen dazu stehen für junge Handwerker mit Ambitionen sehr gut. In den kommenden Jahren werden voraussichtlich rund 180.000 Handwerksbetriebe einen Nachfolger suchen.

Auch Steffens Eltern betreiben ein Autohaus samt Werkstatt – die Aussicht später einmal in den Familienbetrieb einzusteigen, überzeugt ihn zu einer Ausbildung im Handwerk. "Ich habe nach dem Abitur kurz über ein BWL-Studium nachgedacht, aber mir fehlte die tägliche Anwendung", sagt der 23-Jährige. Statt Polohemd und Segelschuhe streift er drei Jahre lang den Blaumann über und arbeitet in der Werkstatt von Willy Tiedtke, einem großen Audi- und VW-Händler in Hamburg.

Bonusbehandlung durch Abitur? Fehlanzeige!

Einen Bonus als Abiturient und Student bekommt auch er nicht: Wie jeder Azubi sortiert er Schrauben, wechselt Motoröl oder fegt die Werkstatt. Mit Erfolg: Den Abschluss macht er als drittbester Auszubildender bundesweit. Im Moment durchläuft Steffen alle Abteilungen – von der Buchhaltung über die Disposition bis zum Verkauf. So möchte er einen besseren Eindruck über die Abläufe im Autohaus bekommen.

Ein Wechsel zu einem großen Autobauer – ein beliebtes Ziel von Hochschulabsolventen – kommt für ihn bisher (noch) nicht in Frage. "Ich möchte nah am Kunden arbeiten und auch schon in jungen Jahren den Betrieb mitgestalten", sagt er. Bei einem DAX-Unternehmen mit vielen tausend Mitarbeitern und starren Hierarchien wäre dieses Ziel deutlich schwieriger zu erreichen.


Perspektiven im Handwerk: kurz und knapp

  • Das Handwerk bietet über 130 Ausbildungsberufe
  • Der direkte Einstieg ist die zwei- bis dreieinhalbjährige Ausbildung. Abiturienten können die Ausbildungszeit meistens verkürzen.
  •  Viele Bundesländer bieten ein duales Studium an, bei dem die Lehrlinge zusätzlich ihren Bachelor an einer Berufsakademie machen.
  • Seltener ist das triale Studium mit Meisterabschluss in vier Jahren.
  •  Viele Handwerkskammern bieten Zusatzqualifikationen an, die sich speziell an Abiturienten richten – zum Bespiel: Technischer Betriebswirt oder Technischer Fachwirt.
  • Egal welchen Weg man wählt, die Perspektiven sind glänzend: Im Vergleich zu Akademikern ist die Zahl arbeitsloser Meister in Deutschland sehr klein. Beim Einkommen sind Meister und Bachelor auf Augenhöhe.

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Veröffentlicht am 08. Apr 2018 um 17:12 Uhr von Nick
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