Novelle Merkmale: So erkennst und interpretierst du sie

Elena Weber

Novelle Merkmale Schüler /-innen draußen unter einem Baum

Die Novelle zeichnet sich durch bestimmte Merkmale aus. | Foto: Farknot_Architect / Getty Images

Novelle Merkmale: wichtig für die Interpretation

Wenn du Kurzgeschichten interpretierst, weißt du, dass typisch für diese Textsorte zum Beispiel ihr offener Anfang und ihr offenes Ende, ihre alltägliche Handlung, ein Konflikt mit Wendepunkt sowie eine einfache, alltägliche Sprache sind. Bei einer Gedichtanalyse wiederum weißt du, dass du auf typische Lyrik Merkmale wie Reimschema, Metrum und das lyrische Ich achten musst. 

Eine weitere Textsorte, über die du im Deutschunterricht und vielleicht auch bei Deutsch im Abitur eine Interpretation schreiben musst, ist die Novelle. Neben der Frage "Was ist eine Novelle" beantworten wir dir hier auch, welche Novellen-Merkmale du auf jeden Fall kennen solltest und wie du sie interpretieren kannst.

Was ist eine Novelle?

Bei der Novelle handelt es sich um eine Textsorte, die du in die literarischen Gattung der Epik einordnen kannst. Damit gehört sie wie die Kurzgeschichte oder der Roman zu den erzählenden Texten.

Die Novelle entstand zur Zeit der Renaissance im 14. bis 16. Jahrhundert in Italien. Typisch für die Novelle ist, dass sie von einer Neuigkeit berichtet. Das verrät schon ihr Name: Der Begriff "Novelle" leitet sich von dem italienischen Wort "novella" ab – was "kleine Neuigkeit" bedeutet. Da es sich bei dieser Neuigkeit um ein Ereignis handelt, das so realistisch ist, dass es zumindest theoretisch auch in der Realität passieren könnte, gilt die Novelle als Wegbereiter für eine modern-realistische Literatur. 

TIPP: Merke dir die Novelle als Zwischending von Kurzgeschichte und Roman: Sie ist länger als eine Kurzgeschichte, aber wesentlich kürzer als ein Roman.

Allgemeine Merkmale einer Novelle

Erzählende Texte, also Texte, die zur literarischen Gattung der Epik gehören, haben bestimmte Epik Merkmale, die sie einen und der Grund dafür sind, dass sie in diese Kategorie eingeordnet werden. Zu diesen allgemeinen Merkmalen gehören:

  • Es gibt immer einen Erzähler.
  • Es werden bestimmte Erzähltechniken angewendet.
  • Epische Texte sind fließend.
  • Die Handlung ist meist fiktional.
  • Die Geschichte ist meist im Präteritum verfasst.

Für deine Interpretation sind vor allem die Punkte "Erzähler" und "Erzähltechniken" interessant. So solltest du auf jeden Fall benennen, welche Erzählperspektive die Novelle verwendet: Gibt es einen auktorialen, einen personalen, einen neutralen oder einen Ich-Erzähler? Das Erzählverhalten hat entscheidenden Einfluss darauf, wie die Geschichte bei den Leser /-innen ankommt. Deswegen solltest du sie in deiner Analyse nicht vernachlässigen.

Von ebenfalls hoher Relevanz sind die eingesetzten Erzähltechniken. Dazu gehören die Verwendung der direkten und der indirekten Rede und der "Stream of consciousness". Bei diesem Bewusstseinsstrom werden die Gefühle und Gedanken eines Charakters aneinandergereiht, ohne dass der Erzähler sich bemerkbar macht. Dadurch bist du als Leser /-in besonders nah an der Figur dran. Darüber hinaus solltest du beim Analysieren der Novelle einen Blick auf das Erzähltempo werfen, also die Geschwindigkeit, in der die Geschichte erzählt wird. Es setzt sich aus Erzählzeit (Zeit, die du zum Lesen benötigst) und erzählter Zeit (Zeit, die in der Geschichte vergeht) zusammen und kann in drei Formen auftreten: Zeitraffung, Zeitdeckung und Zeitdehnung.

Wusstest du, dass...

… eine Novelle meist aus ungefähr 10.000 bis 40.000 Wörtern besteht? Zum Vergleich: Eine Kurzgeschichte ist in der Regel 5.000-10.000 Wörter lang, ein Roman beginnt ab 40.000 Wörter. Bei einem Text über 110.000 Wörter spricht man von einem Epos.

Die spezifischen Merkmale eine Novelle

Wie bereits angesprochen, gelten die eben genannten allgemeinen Merkmale nicht allein für die Novelle, sondern für alle epischen Texte, zu denen unter anderem auch Kurzgeschichten, Fabeln, Märchen und Romane gehören. Die jeweiligen Textsorten kannst du dir als eine Art Unterkategorie vorstellen, die ebenfalls nochmals bestimmte Merkmale aufweisen, die sie voneinander abgrenzen. Das bedeutet für dich: Die allgemeinen Merkmale wie das Erzählverhalten oder der Einsatz bestimmter Erzähltechniken kannst du in Novellen ebenso analysieren wie in Märchen oder Romanen. Die spezifischen Merkmale der Novelle findest du aber nur in Novellen.

Diese spezifischen Merkmale sind:

  • Rahmen- und Binnenhandlung
  • Kürze und Einfachheit
  • Schilderung eines besonderen Ereignisses
  • geradliniger Handlungsverlauf mit klarem Höhe- und Wendepunkt
  • wenig Charaktere
  • klarer Konflik
  • Leitmotiv und Dingsymbol

Wichtig: Eine Novelle muss nicht automatisch alle dieser Merkmale aufweisen. Insbesondere in der postmodernen Literatur sind die Grenzen zwischen Novelle und Kurzgeschichte nicht immer ganz eindeutig. Die Novellen, die dir im Deutschunterricht begegnen, sind aber immer klar als solche zu erkennen, auch wenn sie nicht alle Merkmale einer Novelle aufweisen.

Rahmen- und Binnenhandlung

Die meisten Novellen haben eine Rahmenhandlung, in die die Binnenhandlung, also die eigentliche Geschichte, eingebettet ist. Der Sinn davon ist, der Geschichte den Charakter einer Neuigkeit zu verleihen, die weitererzählt wird.

Kürze und Einfachheit

Typisch für die Novelle ist, dass sie kurz und einfach ist. Nebenhandlungen und -figuren findest du in ihr nicht. Die Ereignisse werden gerafft dargestellt und eine ausführliche Beschreibung der Figuren gibt es ebenfalls nicht.

Schilderung eines besonderen Ereignisses

Das zentrale Element der Novelle ist immer mindestens ein besonderes Ereignis. Damit erzählt sie im Gegensatz zu Kurzgeschichten nicht von alltäglichen Situationen, sondern ausschließlich von außergewöhnlichen Vorkommnissen. Diese sind aber niemals so unrealistisch, dass sie nicht – zumindest theoretisch – auch im wirklichen Leben passieren könnten.

Die Schilderung eines besonderen Ereignisses hat ein bestimmtes Ziel: Es soll auf Themen von allgemeiner Wichtigkeit verweisen, etwa Armut oder Liebe. Dadurch sollen die Leser /-innen zum Nachdenken angeregt werden.

Geradliniger Handlungsverlauf mit klarem Höhe- und Wendepunkt

Durch den Verzicht auf Nebenhandlungen haben Novellen einen geradlinigen Handlungsverlauf, der eindeutig auf einen Höhe- und Wendepunkt zuläuft. 

Wenige Charaktere 

Da die Novelle kurz und einfach ist, ist auch die Anzahl der Figuren übersichtlich. Aus diesem Grund erfährst du nicht viel über sie. Für die Charakterisierung eines Charakters gilt dafür umso mehr, dass du auch zwischen den Zeilen lesen musst.

Klarer Konflikt

Die Novelle behandelt einen Konflikt. Dieser spitzt sich auf einen Höhepunkt zu und erfährt dann eine Wendung. 

Leitmotiv und Dingsymbol 

Das Leitmotiv ist ein wichtiges Element der Novelle. Es taucht in der Geschichte immer wieder auf und bringt eine bestimmte Stimmung oder Aussage zum Ausdruck. Außerdem verknüpft das wiederholte Auftauchen des Leitmotivs einzelne Textteile miteinander und setzt sie zueinander in Beziehung. Achte bei deiner Textanalyse also unbedingt auf ein solches Leitmotiv und die sich daraus ergebenden Zusammenhänge.

Bei vielen Leitmotiven, die dir in Novellen begegnen, handelt es sich um sogenannte Dingsymbole. Das können beispielsweise ein Gegenstand, eine Person oder ein Tier sein. Dingsymbole kommen in der Novelle immer wieder vor, meist an besonders wichtigen Stellen der Handlung. Beispiele für Dingymbole sind beispielsweise die Buche in "Die Judenbuche" von Annette von Droste-Hülshoff oder der Falke in "Falkennovelle" von Giovanni Boccaccio.

Wusstest du, dass...

… man im Zusammnehang mit Dingsymbolen von der sogenannten Falkentheorie spricht?  Darin fordert der Novellist Paul von Heyse (1830–1914), das jede gute Novelle einen "Falken" braucht, also ein Dingsymbol wie eben der Falke in "Falkennovelle". Damit verknüpft sei für jede /-n Autor /-in die Frage, wo das Besondere in seiner Novelle liege, das sie von anderen unterscheide.

Novelle Merkmale: ein Beispiel

Damit du die Merkmale einer Novelle noch einmal nachvollziehen kannst, veranschaulichen wir sie dir an einem Beispiel, "Die Judenbuche" von Annette von Droste-Hülshoff aus dem Jahr 1842.

Das besondere Ereignis: ein unaufgeklärter Mord in einer deutschen Kleinstadt
wenige Charaktere: Neben der Hauptfigur Friedrich Mergel ist die Anzahl an weiteren Charakteren mit Margreth Mergel, Simon Semmler, Johannes Niemand, Aaron, Förster Brandis und Hermann Mergel recht übersichtlich.
Aufbau:  Die Handlung ist geradlinig und straff erzählt und folgt dem Werdegang der Hauptfigur Friedrich Mergel.
klarer Konflikt:  das falsche Unrechtsbewusstsein des Dorfes
Höhe- und Wendepunkt:  der Tod von Johannes
Verweis auf ein allgemeines Thema: Die Frage nach Recht und Gerechtigkeit sowie Judenfeindlichkeit
Dingsymbol:  die Judenbuche. Sie symbolisiert das Unrecht, dass Friedrich Mergel widerfährt.

FAQ: Häufige Fragen zu den Merkmalen einer Novelle

Was sind die Merkmale einer Novelle?

Merkmale einer Novelle sind das Dingsymbol, ein geradliniger Aufbau, ein Konflikt, der auf einen Höhe- und Wendepunkt zusteuert sowie die Schilderung eines besonderen Ereignisses.

Wie fängt eine Novelle an?

Viele Novellen beginnen mit einer Rahmenhandlung, in die dann die eigentliche Geschichte, die Binnenhandlung, eingebettet ist.

Was gehört zu einer Novelle?

Zu einer Novelle gehören unter anderem ein Konflikt mit Höhe- und Wendepunkt, ein besonderes Ereignis sowie Leitmotiv und Dingsymbol.

Novelle Merkmale: ein Überblick

  • Bei einer Novelle handelt es sich um einen kurzen Prosatext.
  • Sie erzählt von einem besonderen Ereignis, das den Anschein erweckt, dass es sich tatsächlich so ereignet haben könnte.
  • Zu den Novellen-Merkmalen gehören eine Rahmen- und Binnenhandlung, ein geradliniger, straffer Handlungsverlauf mit Höhe- und Wendepunkt sowie ein klarer Konflikt.
  • In vielen Novellen findest du ein Leitmotiv, häufig in Form eines Dingsymbols.

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